Abgesagte Touren, schleppende Ticketverkäufe: Was ist los bei Konzerten und Festivals?

Stand: 03.08.2022, 20:02 Uhr

Die Tour-Absage der Band Kasalla hat überrascht. Doch die Kölner sind kein Einzelfall. Obwohl nach den Corona-Lockdowns wieder alles möglich ist, hat die Branche Probleme.

Von Christian WolfChristian Wolf

Für alle Liebhaber von Konzerten und Festivals sind durch die Corona-Pandemie schwere Zeiten angebrochen. Das übliche Feiern und Tanzen war lange Zeit nicht möglich - umso größer die Freude bei vielen, dass nun wieder fast alles geht.

Das Parookaville-Festival in Weeze vermeldete Ende Juli einen Besucherrekord mit 225.000 verkauften Tickets. In Düsseldorf und Gelsenkirchen traten kürzlich Lady Gaga und die Rolling Stones in vollen Arenen auf. Ist also wieder alles gut für die leidgeplagte Branche?

Offenbar nicht. So lässt die aktuelle Tour-Absage der Band Kasalla aufhorchen. Eigentlich wollten die Kölner in den kommenden Monaten in 27 Städten auftreten. Der Vorverkauf war bereits gestartet. Doch am Dienstagabend kam die Nachricht, dass die Tournee nicht stattfindet. Der Grund: Es wurden einfach zu wenige Tickets verkauft.

Hoffnung auf Zeit nach Corona

Dabei hatten viele Künstler und Veranstalter fest darauf gehofft, dass die Fans nach all den Corona-Absagen wieder zu den Konzerten strömen. Nach dem Motto: Jetzt erst Recht!

Doch es gebe nach wie vor eine "grundsätzliche Verunsicherung", sagt Stephan Benn von der Live Initiative NRW, einem Verband für Musikspielstätten und Clubs, und verweist auf die nach wie vor hohen Inzidenzzahlen. "Man kennt im persönlichen Umfeld viele, die infiziert sind nach Veranstaltungen, auch nach Open-Air-Veranstaltungen. Das trägt sicherlich nicht dazu bei, Vertrauen zu haben in Veranstaltungen im Herbst, die dann drinnen stattfinden." Der Vorverkauf liege daher "nieder".

Große Unsicherheit belastet die Branche

Die Hamburger Band Revolverheld hat bereits im Juli ihre Tour wegen der Corona-Unsicherheit abgesagt. "Wir befürchten für den Winter leider wieder das Schlimmste", sagte Sänger Johannes Strate damals in einer Videobotschaft. Es könne niemand gewährleisten, dass im Winter ein Kulturbetrieb stattfindet. Die Branche leide unter "Long Covid". Die Band habe lange abgewogen, aber die Unsicherheit sei sowohl bei den Künstlern, als auch bei den Veranstaltern und den Besuchern noch zu groß.

Davon kann auch Oliver Leonards berichten. Er ist Veranstalter des "Da ist was im Busch"-Festivals in Viersen und sagt, dass die Gefahr, sich zu verspekulieren, groß sei. "Wir haben auf dem Ticketmarkt gerade überhaupt keine Kontinuität."

Sparsamkeit statt Konsumfreude

Und nicht gerade positiv auswirken auf den Kartenverkauf dürfte sich das derzeitige Umfeld. Die rekordverdächtig hohe Inflation von zuletzt 7,5 Prozent im Juli bremst die Konsumlust vieler Menschen. Hinzu kommen die Sorgen wegen möglicher wirtschaftlicher Folgen des Krieges in der Ukraine. Der ein oder andere dürfte da im Moment lieber etwas sparen, anstatt Geld für Konzerte oder Festivals auszugeben.

Stephan Benn von der Live Initiative NRW sagt außerdem, dass es im Moment ein "deutliches Überangebot" gebe. Soll heißen: Zu viele Künstlerinnen und Künstler werben um die Gunst des Publikums. Viele Konzerte wurden teilweise zwei Jahren immer wieder verschoben. Nicht so bekannte Musiker müssen nun mit den Toten Hosen oder anderen Weltstars konkurrieren.

Ausverkauft und trotzdem Verluste

Handelt es sich um nachgeholte Konzerte, die wegen Corona nicht stattfinden konnten, droht unter Umständen sogar ein Minusgeschäft. Darauf weist Jens Michow hin, geschäftsführender Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft.

Denn Eintrittskarten, die bereits vor einem oder zwei Jahren verkauft worden seien, brächten Veranstaltern jetzt keine neuen Umsätze. Die Kosten seien jetzt viel höher, als damals bei der Kalkulation. Das führe dazu, dass trotz ausverkaufter Hallen oder Festivals teilweise große Verluste erwirtschaftet würden, so Michow. "Die Rahmenbedingungen für wirtschaftlich profitable Veranstaltungen sind miserabel."

Und die Probleme gehen noch viel weiter. Die Veranstalter kämpfen auch mit Personalmangel. Nach zwei Jahren Pandemie haben sich viele offenbar andere Jobs gesucht, die mehr Planungssicherheit versprechen. Die Folge: Fachkräfte wie Veranstaltungstechniker, Bühnenhelfer oder Leute für die Theke sind derzeit sehr schwer zu finden.

Nicht jeder klagt

Konzertveranstalter Marek Lieberberg

Konzertveranstalter Marek Lieberberg

Es gibt aber auch Stimmen aus der Branche, die positiv klingen. Dazu zählt Konzert- und Festivalveranstalter Marek Lieberberg. "Tatsache ist, dass die Live-Branche mit Vehemenz zurückgekehrt ist und eine bisher nie gekannte Folge von Konzerten mit fantastischer Resonanz über die Bühne gegangen ist", sagt er. Man müsse grundsätzlich lernen, mit der Corona-Pandemie zu leben, "statt in obsolete Verbote zu flüchten". Interesse und Nachfrage der Fans seien weiter vorhanden.