Queer, geschieden, ausgetreten? Was sich durch das neue Arbeitsrecht der Kirche ändert
Stand: 23.11.2022, 13:18 Uhr
Wer queer oder geschieden ist und in einer kirchlichen Einrichtung arbeitet, muss keine Angst mehr haben, gekündigt zu werden. Was sich durch das neue Arbeitsrecht der katholischen Kirche ändert.
Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland gilt für rund 800.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bisher mussten Mitarbeitende um ihren Job fürchten, wenn sie zum Beispiel in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebten oder sich scheiden lassen wollten. Das soll jetzt vorbei sein. Erstmalig hat die deutsche Bischofskonferenz Vielfalt als Bereicherung anerkannt.
Explizit heißt es: "Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten (…) einer den Menschen dienenden Kirche sein.“
Neues Recht gilt nicht für alle
Für die meisten Mitarbeitenden ist das neue Arbeitsrecht ein echter Durchbruch - und möglicherweise auch der Tatsache geschuldet, dass die Kirche inzwischen als Arbeitgeber Schwierigkeiten hat, geeignetes Personal zu finden. "Indem die Kirche sich nun für Menschen aller Religionen und aller sexuellen Identitäten öffnet, werden Möglichkeit geschaffen, auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt in der Pflege, im Bildungsbereich, in den Kindertagesstätten Personengruppen zu erreichen, mit denen die Kirche bisher nicht rechnen konnte", so der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller.
Die Neuregelung gilt aber nicht für alle. Führungskräfte, pastorale Mitarbeitende oder Religionslehrerinnen und Religionslehrer sind davon ausgeschlossen. Peter Otten ist Gemeindereferent und hat das kirchliche Arbeitsrecht schmerzlich zu spüren bekommen. Weil er seine Freundin heiraten wollte, die schon mal verheiratet war, drohte man ihm mit der Kündigung. Erst nach einem vierjährigen Verfahren vor einem Kirchenrecht durften sie heiraten.
Er freut sich über die Reform, auch wenn sie für ihn nicht gilt. Dass sich auch für verkündigungsnahe Berufe bald etwas ändert, bezweifelt er.
Austritt bleibt weiter Kündigungsgrund
Wer in einer kirchlichen Einrichtung arbeiten will, muss zwar keiner Religion angehören, wer aber katholisch getauft ist und austritt, kann weiterhin seinen Job verlieren. Das muss dringend weiter diskutiert werden, fordert Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin der Caritas, die 700.000 Mitarbeitende beschäftigt. Sie hofft, dass jetzt alle Bistümer an einem Strang ziehen und das neue Arbeitsrecht schnell umsetzen.
Jedes Bistum muss entscheiden
Noch ist die Neuregelung nur eine Empfehlung. Rechtsgültig ist sie erst, wenn es sie von den 27 Bistümer in Deutschland angenommen wird. Das Erzbistum Köln etwa teilte auf Anfrage des WDR mit, es werde die Beschlüsse umsetzen.