Merz: "Habeck hat den ersten richtig großen Fehler gemacht"

Stand: 27.08.2022, 19:48 Uhr

Ob Gasumlage oder Energiezuschuss: Die Ampel-Koalition ist sich in vielen Punkten uneins. Bundeswirtschaftsminister Habeck müsse nun endlich "liefern", fordert CDU-Chef Friedrich Merz im WDR-Interview.

Im Stich gelassen und überfordert - so fühlen sich derzeit viele Menschen angesichts einer ungewissen Zukunft. Explodierende Gas- und Strompreise, dazu die Gasumlage - und eine Regierungskoalition, die in vielen Punkten uneins ist. Einer der schärfsten Kritiker ist Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich-Merz. Mit der Gasumlage habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) "den ersten richtig großen Fehler" gemacht, sagte Merz am Samstag im WDR-Interview.

WDR: Guten Abend Friedrich Merz. Sie pochen heute darauf, dass Geringverdienern geholfen werden muss. Was ist Ihr konkreter Vorschlag?

Friedrich Merz: Dass wir Wohngeld- und Arbeitslosenhilfeempfängern helfen müssen, ist völlig klar. Aber es gibt eben auch eine Einkommensgruppe, die so eben darüber liegt, die praktisch keine Hilfen bekommen. Stattdessen bekommen wir jetzt zum 1. September alle 300 Euro. Das macht wirklich keinen Sinn. Ich plädiere dafür, dass wir diese Hilfen auf die unteren Einkommen konzentrieren, die sich die erhöhten Energiepreise einfach nicht leisten können.

WDR: Sie sagen, besser 1.000 Euro für Arme als 300 für alle - aber was ist denn mit der Mitte? Die Menschen, die nicht bedürftig sind, aber trotzdem nicht mehr zurechtkommen, die vielleicht ihre letzten Rücklagen aufbrauchen?

Merz: Genau über die spreche ich. Es sind nicht Arme, sondern es sind diejenigen, die kleine und mittlere Einkommen haben und jetzt von diesen Energiepreis-Schocks massiv betroffen sind. Die es sich objektiv nicht leisten können, sie zu bezahlen. Darauf muss sich die Hilfe eines funktionsfähigen Sozialstaats konzentrieren. Und nicht mit der Gießkanne 300 Euro für alle verteilen, und dabei mal ganz nebenbei die Rentner und Studenten vergessen. Das ist eine Methode, die nicht funktioniert.

WDR: Also 1.000 Euro für wen konkret?

Merz: Das muss man dann mal genau ausrechnen. Da könnte man auf die Größenordnung gehen von vielleicht 20.000 bis 40.000 Euro Jahreseinkommen. Dann muss man eine Kinderkomponente einbauen und schauen, ob Alleinerziehende besonders betroffen sind. Das wäre Aufgabe der Bundesregierung.

WDR: Energiegeld, Gasumlage, Strompreishammer, Tankrabatt - den Leuten fliegen die Begriffe täglich nur so um die Ohren, und die Ampel-Regierung sucht bei allem noch ihre Gemeinsamkeiten. Die Menschen blicken nicht mehr durch und haben Angst vorm Winter. Das ist doch Ihre Chance, ein Gesamtkonzept vorzulegen. Haben Sie eins?

Merz: Wir werden das in der nächsten Woche im Fraktionsvorstand diskutieren. Auf unserem Bundesparteitag übernächste Woche werden wir ein Gesamtkonzept zur Wirtschafts- und Energiepolitik schreiben. Aber in der Opposition können wir nur Vorschläge machen, Gesetzgebungsarbeit muss die Mehrheit machen.

Robert Habeck, Buendnis 90/Die Gruenen, Olaf Scholz, SPD, Christian Lindner, FDP, bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages

Ampel-Koalition uneins: Habeck (Grüne), Scholz (SPD) und Lindner (FDP)

Aber die drei Koalitionsmitglieder haben völlig unterschiedliche Vorschläge zum den Themen Gasumlage und Übergewinnsteuer. Jetzt sollen aus der Gasumlage auch Unternehmen Geld bekommen, die wirklich zu den großen Profiteuren der Krise zählen und an den hohen Gas- und Strompreisen richtig viel Geld verdienen. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.

WDR: Soll die Gasumlage durch Steuergeld ersetzt werden? Wie konkret würden Sie es denn machen?

Merz: Faktisch macht es die Bundesregierung ja schon so, wenn sie auf der einen Seite die Gasumlage erhebt, auf der anderen Seite aber die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent absenken will. Das hätte sie dann gleich machen können. Hier ist also eine Umlage in der Planung, die hinten und vorne nichts taugt. Die Bundesregierung hat sie übrigens schon beschlossen, sie muss nicht nochmal durch den Bundestag. Es sei denn, wir stellen den Antrag, sie zurückzunehmen. Und den Antrag haben wir gestern gestellt.

WDR: Ab Oktober sollen ja alle Gasverbrauchenden eine Gasumlage zahlen - die Sie als Union noch zu Fall bringen wollen. Aber ohne so eine Gasumlage würden am Ende der Kette viele Menschen in die teure Grundversorgung rutschen. Was ist denn gut an der Gasumlage?

Merz: Ich sehe im Moment überhaupt keine Vorteile, so, wie die Bundesregierung sie plant. Im Übrigen: Sie treibt zusätzlich auch noch die Inflation nach oben. Wir haben heute schon eine Geldentwertung, die hoch genug ist. Es macht keinen Sinn, wenn der Staat seinerseits dann nochmal solche Umlagen beschließt, die auch nach Auskunft der Wirtschaftsforschungsinstitute nochmal einen Inflationsschub auslösen. Wir plädieren dafür, sie gar nicht erst zu erheben.

WDR: Sie haben heute Robert Habeck als Sunnyboy verspottet und auf die Frage, warum die Menschen trotz allem so an seinen Lippen hängen, gesagt: "Das sind Momente wie bei Parship.de." Nun steht ja Ihr Rendezvous mit den Deutschen noch bevor - 2025 ist die nächste Wahl. Setzen Sie dann auf eine Vernunftehe, oder können Sie sich doch auch was von Habeck abschauen?

habeck

Minister Habeck in der Kritik

Merz: Ich habe mir mal erlaubt, zu sagen, dass es nicht ausreicht, Sunnyboy der deutschen Politik zu sein - das ist ja keine Beleidigung. Aber er muss liefern. Er muss handwerkliche Arbeit machen. Und das findet im Augenblick nicht statt. Die Menschen hängen an seinen Lippen, aber sie verstehen kaum, dass er nicht liefert. Und da kommt die Stunde der Wahrheit jetzt auf ihn zu. Deswegen ist schönreden das eine, aber handwerklich ordentlich arbeiten das andere, und das muss er liefern. Die Bevölkerung will Lösungen und nicht jemanden, der eine gute Performance abgibt.

Das Interview führte Catherine Vogel in der Aktuellen Stunde am 27.08.2022.