Hakle und Görtz sind pleite: Droht eine Welle von Insolvenzen?

Stand: 07.09.2022, 18:00 Uhr

Die hohen Energiepreise belasten auch Unternehmen und Geschäfte. Es gibt erste Meldungen von Firmenpleiten. Derweil irritiert Wirtschaftsminister Habeck mit einer Aussage zu Insolvenzen.

Von Christian WolfChristian Wolf

Geht es um die hohen Energiepreise, standen bislang vor allem die Verbraucher im Mittelpunkt. Denn viele fragen sich dieser Tage: Wie soll ich demnächst die Strom- oder Gasrechnung bezahlen? Für so manche Familie oder Rentnerin mit wenig Geld geht es da ans Eingemachte.

Energie wird teurer, Kunden bleiben aus

Doch inzwischen wird immer deutlicher, dass auch Geschäfte und Unternehmen unter den hohen Preisen leiden. Entweder haben sie viel höhere Kosten als früher. Oder die Kunden bleiben aus, weil die jetzt lieber sparen. In dieser Woche gab es gleich zwei prominente Fälle von Firmen, die ins Straucheln geraten sind:

  • So ist der Düsseldorfer Toilettenpapierhersteller Hakle zum Sanierungsfall geworden und hat Insolvenz angemeldet. Als Grund werden die gestiegenen Rohstoff-, Energie- und Transportkosten genannt.
  • Auch der Schuhhändler Görtz ist in die Insolvenz gerutscht. Das Unternehmen begründet den Schritt mit einer "enormen Kaufzurückhaltung" der Kunden im Zuge der Energiekosten und Inflation.

Ob es indes tatsächlich an den gestiegenen Rohstoff-, Energie- und Transportkosten sowie der Kaufzurückhaltung von Kunden liegt, weshalb die beiden Firmen zu Sanierungsfällen geworden sind, das ist offen.

Generell muss man wissen: Eine Insolvenz bedeutet nicht automatisch das Ende einer Firma. Zunächst handelt es sich um eine drohende oder tatsächliche Zahlungsunfähigkeit. Das endgültige Aus kann noch abgewendet werden, wenn eine Sanierung klappt.

Ein Viertel mehr Firmenpleiten als im Vorjahr

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Hakle und Görtz zwei Zufälle oder der Beginn einer größeren Entwicklung sind. Eine Statistik lässt zumindest aufhorchen: Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat die Zahl der Firmenpleiten im August um 26 Prozent gegenüber 2021 zugelegt. Konkret seien es 718 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften gewesen. Und für den Herbst sei mit einer zunehmenden Zahl zu rechnen.

Aber: Der jetzige Anstieg kommt auch daher, dass es in der Corona-Zeit vergleichsweise wenige Insolvenzen gab. Die Pflicht, diesen Schritt zu gehen, hatte die Politik lange Zeit ausgesetzt. "Der deutliche prozentuale Anstieg jetzt basiert also auf einer relativ niedrigen Zahl", erklärt Wolfgang Landmesser aus der WDR-Wirtschaftsredaktion.

Trotzdem heißt es von dem Institut: "Nach lange Zeit niedrigen Insolvenzzahlen hat nun eine Trendwende eingesetzt." Verantwortlich dafür seien in erster Linie die steigenden Preise. Immerhin: Von einer drohenden Insolvenzwelle könne derzeit nicht gesprochen werden.

Wirbel um Habeck-Aussagen zu Insolvenzen

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, ist in der Talkshow "Maischberger" der ARD zu Gast

Wirtschaftsminister Robert Habeck

Das sieht auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck so. In der ARD-Sendung "Maischberger" sagte der Grünen-Politiker am Dienstagabend auf die Frage, ob er mit einer Insolvenzwelle rechne: "Nein, das tue ich nicht." Zur Begründung sagte er: "Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren." Sie würden aufhören zu verkaufen, aber seien nicht automatisch insolvent.

Auf Nachfrage hieß es: "Ich weise darauf hin, dass es nicht automatisch eine Insolvenzwelle geben muss. Aber es kann sein, dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren und die dann eingestellt werden. Vielleicht werden sie später wieder aufgenommen. Das kann ja sein. Das ist ja dann keine klassische Insolvenz."

Kritik an Habeck auch aus den eigenen Reihen

Im Anschluss wurde Habeck hart kritisiert - sogar aus den Reihen der Ampel-Koalition. "Unfassbar! Er hat einfach keine Ahnung, wovon er redet", sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer. Andere interpretierten Habecks Auftritt hingegen so, dass es womöglich weitere Hilfen der Regierung geben werde, der Minister aber noch nicht darüber sprechen wollte - und deshalb so rumdruckste.

Bundeswirtschaftsministerium verteidigt Habecks Aussagen

Das Bundeswirtschaftsministerium trat der heftigen Kritik an Habecks Aussagen entgegen. Eine Sprecherin erklärte am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme, Habeck habe mit seiner Antwort "den wichtigen Unterschied" zwischen Insolvenzen und Betriebsaufgaben verdeutlichen wollen.

Habecks Ziel sei es gewesen zu vermitteln, dass Betriebsaufgaben auch ohne Insolvenz-Anmeldung ein Problem für die deutsche Wirtschaft seien - und dass man diese Aufgaben genauso im Blick haben müsse wie Insolvenzen, so die Sprecherin.

Das könnte helfen gegen Insolvenzen

Weitere Hilfen könnten als Gegenstrategie zu drohenden Insolvenzen nötig werden. In der Corona-Krise half vor allem das Kurzarbeitergeld, wodurch Unternehmen von Personalkosten entlastet wurden. Auch jetzt können Unternehmen Kurzarbeit beantragen.

Ganz aktuell könnte die von der Ampel-Regierung geplante "Strompreisbremse" helfen, Insolvenzen abzuwenden. Denn auch kleinere und mittlere Unternehmen sollen einen günstigen Basistarif für eine Grundmenge an Strom bekommen.

"Wie viel das am Ende bei den Stromrechnungen ausmacht, ist aber noch unklar", sagt WDR-Wirtschaftsexperte Landmesser. Denn bislang gibt es keine genauen Pläne zur "Strompreisbremse". Außerdem habe die Bundesregierung zinsgünstige Kredite in Aussicht gestellt.

Habeck selbst betonte am Dienstagabend, dass man an Unterstützungsprogrammen für bestimmte Betriebe arbeite. "Bei Corona hat sich die Politik entschieden, alle Kosten zu übernehmen. Das war enorm teuer, und diese politische Entscheidung haben wir noch nicht gefällt."