In Nordrhein-Westfalen haben die Verbraucherpreise im Juni im Jahresvergleich um 6,2 Prozent zugelegt. Das hat das Statistische Landesamt am Donnerstag in Düsseldorf mitgeteilt. Im Mai war die Inflationsrate noch auf 5,7 Prozent gesunken und damit auf den tiefsten Stand seit Februar 2022. Im Monatsvergleich stiegen die Verbraucherpreise im Juni um 0,3 Prozent.
Gas und Lebensmittel als Preistreiber
"Der Anstieg der Inflationsrate im Juni ist unter anderem mit dem sogenannten Basiseffekt zu erklären, der mit den Sommerhilfen der Bundesregierung im vergangenen Jahr zusammenhängt", hieß es weiter in der Mitteilung. Vor einem Jahr hatten das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt dämpfend auf die Preisentwicklung gewirkt, was nun zu einem Anstieg der Verbraucherpreise im Jahresvergleich führte.
Zu den stärksten Preistreibern im Jahresvergleich zählten laut Landesamt die Kosten für Gas und Lebensmittel. "Im Vergleich zu Juni 2022 stiegen insbesondere die Preise für Gas einschließlich Betriebskosten (plus 34,0 Prozent) und Nahrungsmittel (plus 14,6 Prozent)", hieß es.
Anstieg auch bundesweit
NRW zählt zu den Bundesländern, deren Preisentwicklung in die Schätzung der Inflation in der gesamten Bundesrepublik einfließt. Auch bundesweit ist die Inflation im Juni gestiegen - von 6,1 Prozent im Mai auf jetzt 6,4 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag auf Basis vorläufiger Daten mit.
Im Juni belasteten erneut deutlich gestiegene Nahrungsmittelpreise (plus 13,7 Prozent) die Budgets der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Energiepreise stiegen mit 3,0 Prozent dagegen unterdurchschnittlich stark. Im Vorjahr waren die Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine in die Höhe geschossen.
Fratzscher: Zeitverzögerung als Hauptgrund
Der Aufwärtstrend bei den Preisen wird wohl noch einige Zeit so weitergehen. "Vor allem Lebensmittel werden auch noch teurer, aber auch viele Dienstleistungen werden langsam teurer", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), am Donnerstag dem WDR.
Den Hauptgrund für diese anhaltende Preisentwicklung sieht Fratzscher in einer Zeitverzögerung: "Die Unternehmen sagen: 'Ich hab die höheren Kosten im vergangenen Jahr oder noch vorm halben Jahr gehabt, ich muss jetzt anfangen, die höheren Kosten an meine Kunden weiterzugeben'."
"Gierflation" auch ein Faktor
Die derzeitige Inflation sei letztlich das Resultat des Krieges in der Ukraine und der explodierenden Energiekosten im vergangenen Jahr. "Stück für Stück arbeiten sich jetzt die Preiserhöhungen durch die höheren Energiepreise auch auf andere Produkte durch", erklärte Fratzscher. Supermärkte hätten mit Zulieferern teilweise Verträge für Preise über ein Jahr. Deshalb würden die Verbraucherpreise erst nach einem Jahr angepasst.
Es gebe aber auch Unternehmen, die nicht nur die gestiegenen Energiepreise an die Kundinnen und Kunden weiterreichen, sondern zusätzlich eine Gewinnmarge draufschlagen würden. Ein solches Verhalten - das von anderen als "Gierflation" bezeichnet wird - treffe aber nur auf die großen Unternehmen zu, "die viel Marktmacht haben". Die Eisdiele oder das Einhandelsgeschäft um die Ecke seien hingegen selbst am Kämpfen. "Der Bäcker kann den Preis für Brötchen nicht einfach mal verdoppeln."
Stabile Preise in anderthalb Jahren?
Insgesamt gesehen schwächt sich aber die Inflation derzeit ab, wie Fratzscher ausführt: Im Oktober seien die Preise in Deutschland über zwölf Monate im Durchschnitt um etwa zehn Prozent gestiegen, "jetzt steigen sie im Durchschnitt noch um knapp sechs Prozent". Es werde vermutlich noch ungefähr "anderthalb Jahre dauern, bis wir wieder bei stabilen Preisen sind."