Doggy Bags gegen Lebensmittelverschwendung - auch ein Modell für Deutschland?

Stand: 08.06.2022, 18:11 Uhr

Spanien will per Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen. Unter anderem wären Gastronomen dann dazu verpflichtet, auf Wunsch nicht verzehrte Speisen kostenfrei mitzugeben. Ein sinnvolles Modell auch für Deutschland?

Von Frank Menke

"Da waren die Augen wieder größer als der Bauch." Das war mal ein beliebter Spruch älterer Generationen, wenn Menschen - auch im Restaurant - ihren Teller nicht leer gegessen hatten und die Reste zurückgingen. Heutzutage ist Lebensmittelverschwendung gesamtgesellschaftlich ein ernstes Problem. Die spanische Regierung hat am Mittwoch dem Parlament ein entsprechendes Gesetzespaket vorgelegt, um etwas dagegen zu tun.

Doggy Bag gegen Verschwendung

Unter anderem wären Gastronomen dann dazu verpflichtet, Gästen auf Wunsch nicht verzehrte Speisen in einem sogenannten Doggy Bag einzupacken, also in einer Tüte oder Verpackung, um sie mit nach Hause zu nehmen. Wäre ein solches Gesetz auch in Deutschland sinnvoll?

Gaststättenverband zurückhaltend

Thorsten Hellwig vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband

DEHOGA-NRW-Sprecher Thorsten Hellwig

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), der etliche Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung auf den Weg gebracht hat, reagiert zurückhaltend. "Grundsätzlich verweigert doch kein Gastronomiebetreiber in Deutschland einem Gast, übriggebliebene Speisen für Zuhause einzupacken. Wenn also etwas auf freiwilliger Basis funktioniert, wozu braucht es dann eine gesetzliche Verpflichtung?", sagte DEHOGA-NRW-Pressesprecher Thorsten Hellwig dem WDR.

In Deutschland vernichtet jeder 75 Kilo Lebensmittel pro Jahr

Das Problem greift eh tiefer, Doggy Bags sind da eher ein Tropfen auf den heißen Stein. In Spanien werden laut Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung jährlich etwa 1,36 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen - das entspricht ungefähr 30 Kilo pro Bürger. In Deutschland sind es nach Angaben des Bundesumweltamtes circa zwölf Millionen Tonnen - also 75 Kilo pro Person.

Der größte Anteil liegt natürlich nicht bei der Gastronomie, sondern bei den Privathaushalten mit 52 Prozent. Einer Studie des Marktforschungsinstituts "GfK" zufolge entfallen 35 Prozent der Lebensmittelabfälle auf frisches Obst und Gemüse, 13 Prozent auf Brot und Backwaren, 12 Prozent auf Getränke und 9 Prozent auf Milchprodukte.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Je jünger der Haushaltsvorstand, desto mehr potenziell verwertbare Lebensmittel werden weggeworfen. Ältere Menschen werfen tendenziell weniger weg.

Problematische Haftung wegen Mindesthaltbarkeit

Einzelhändler oder Supermärkte würden womöglich gerne mehr gegen die gewaltige Lebensmittelverschwendung in Deutschland unternehmen, doch sie agieren aus rechtlichen Gründen zögerlich. Denn bis zum Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) haftet der Hersteller für die Ware, danach der sogenannte Inverkehrbringer, sprich der Händler - auch dann, wenn er die Lebensmittel verschenkt.

Weitere Maßnahmen im spanischen Gesetz

Für Abhilfe könnte also die Gesetzgebung sorgen. In Spanien sollen Supermärkte die Preise für Produkte senken, wenn das Verfallsdatum näherrückt. Außerdem sollen sie Vereinbarungen mit Nachbarschaftsorganisationen und Tafeln treffen, um solche Produkte an Bedürftige zu spenden.

Sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, empfiehlt das spanische Gesetz, diese Lebensmittel als Tierfutter oder für die industrielle Produktion von Düngemitteln und Biokraftstoffen zu verwenden.

Maßnahmen in der Prüfung

Und in Deutschland? "Derzeit werden verschiedene weitere Maßnahmen hinsichtlich Steuer-und Haftungsrecht zur Erleichterung der Weitergabe von Lebensmitteln geprüft und mit den zuständigen Bundesministerien diskutiert. Inwieweit dafür gesetzliche Änderungen erforderlich sind, wird zu prüfen sein", teilte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft dem ARD-Hauptstadtstudio auf Anfrage mit.