Umstrittene Ukraine-Friedensdemo von Wagenknecht und Schwarzer

Stand: 26.02.2023, 10:28 Uhr

Seit einem Jahr tobt der Krieg in der Ukraine. In Berlin haben sich tausende Menschen zu einer Kundgebung für Verhandlungen mit Russland versammelt. Kundgebungen und Mahnwachen gab es auch in NRW.

Trotz Schneeregens und Kälte sind am Samstag viele Tausend Menschen einem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung in Berlin gefolgt. Die Polizei sprach nach der Veranstaltung am Brandenburger Tor von mehr als 13.000 Teilnehmern, der Veranstalter von 50.000.

Wagenknecht und Schwarzer warnen vor Eskalation des Krieges

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer

Sahra Wagenknecht (l.) und Alice Schwarzer

Der Hintergrund: Wagenknecht und Schwarzer hatten zuvor ein "Manifest für Frieden" veröffentlicht, das kontrovers diskutiert wird. In dem Papier warnen sie vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs, fordern Kompromisse "auf beiden Seiten". Dabei fordern sie Bundeskanzler Olaf Scholz unter anderem auf, "die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen".

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600.000 Menschen hatten eine entsprechende Petition unterschrieben. Es gibt aber auch schon einen Gegenaufruf, den zahlreiche Politiker und Wissenschaftler unterzeichneten. Der Protest stieß teilweise auf heftige Ablehnung, nicht nur, weil sich vereinzelt Rechte und Rechtsextreme unter die Teilnehmer mischten. Kritiker warfen Schwarzer und Wagenknecht Naivität und Irreführung vor.

Habeck: "Politische Irreführung"

Robert Habeck

Kritisiert Wagenknecht und Schwarzer: Robert Habeck

Massive Kritik an der Berliner Friedensdemo der Linken-Politikerin kommt von Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Jeder wünsche sich Frieden, sagte der. Aber was diese Gruppe wolle, sei "ein Frieden, den ein Diktator Europa aufzwingt. Und das wäre nur der neue Eintritt in die nächste kriegerische Handlung." Das sei eine Einladung an Putin, die nächsten Länder zu überfallen. "Es ist eine politische Irreführung, was die beiden Damen sagen", sagte Habeck im ARD-Brennpunkt.

"Das ist eine Einladung an Putin, die nächsten Länder zu überfallen" Vizekanzler Robert Habeck

Alice Schwarzer relativierte am Samstag ihre Aussage und sagte, dass sie nicht generell gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sei. Der Bild-Zeitung sagte sie, dass man erst keine Waffen mehr liefern solle, wenn die Russen anfingen, sich aus den seit dem 24. Februar besetzten Gebieten zurückzuziehen.

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"Abgrenzug nach rechts fehlt"

Kritisch schaut auch Michael Schulze von Glaßer, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft, auf die Friedensdemo von Schwarzer und Wagenknecht. "Wir sehen da einfach sehr viele Lücken in dem Aufruf. Zum Beispiel, dass da keine weitere humanitäre Hilfe für die Ukraine gefordert wird. Es geht eigentlich nur um dieses Waffenexportthema", sagte er gegenüber dem WDR. "Andererseits fehlt uns da eine klare Abgrenzung nach rechts. Wir sagen halt, Nationalismus und rechts führt halt eher zu Krieg und wir wollen da eine klare Abgrenzung haben."

"Nationalismus und rechts führt halt eher zu Krieg" Michael Schulze von Glaßer, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft

Für die Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung wurde auch von rechts getrommelt. Etwa vom Magazin Compact, das auf einen gemeinsamen Protest von Rechts und Links gegen die Ukraine-Politik der Bundesregierung einschließlich Waffenlieferungen hofft. 

Ideen für den Frieden

Ist ein baldiges Ende des Krieges überhaupt in Sicht? Viele Beobachterinnen und Beobachter sehen 2023 zumindest als wichtiges Jahr auf dem Weg zum Frieden. Politikwisschenschaftler Carlo Masala formuliert es so: "Auf dem Schlachtfeld werden die Voraussetzungen für Verhandlungen geschaffen."

Die Politologin Fix fordert vom Westen eine "Theorie des Sieges". "Der Westen dürfe nicht wieder nur auf russische Angriffe reagieren, sondern muss sich mit der Ukraine auf ein Ziel verständigen, das in diesem Jahr erreicht werden soll. Ansonsten drohe ein "forever war", also ein nicht endender Krieg.

Mahnwachen und Kundgebungen in NRW

Auch in einigen NRW-Städten wurde am Samstag wieder zu Friedensveranstaltungen für die Ukraine aufgerufen. So waren beispielsweise in Wesel und Detmold Mahnwachen geplant. In Detmold nahmen nach Informationen der Polizei jedoch lediglich 18 Personen teil, in Wesel nur 13.

Auch das Friedensforum Bonn hatte zu einer Kundgebung zum ersten Jahrestag des Ukraine-Krieges auf dem Bonner Münsterplatz aufgerufen, der nach Angaben der Bonner Polizei etwa 200 Personen folgten. Weitere rund 150 Menschen versammelten sich ebenfalls am Münsterplatz, um für Frieden in der Ukraine zu demonstrieren. Zu dieser "Gegendemo" gegen die Veranstaltung des Friedensforums hatte das Forum Osteuropa Bonn aufgerufen.

Margot Käßmann

Redet in Bonn: Die Theologin Margot Käßmann

"Stoppt das Töten in der Ukraine - für Waffenstillstand und Verhandlungen" lautete das Motto der Veranstaltung des Friedensforums, an der auch die Theologin und ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, teilnahm.

Auch sie hatte die Petition "Manifest für den Frieden" unterzeichnet. In Bonn sagte Käßmann, sie habe nicht damit gerechnet, dass sich auch die AfD und rechte Kreise dem Manifest anschließen würden. "Wir müssen uns offenbar damit abfinden, dass die rechte Szene rund um die AfD ständig Aktionen kapern will", sagte Käßmann. Sie lehne dies ab, werde deshalb aber nicht zu Hause bleiben und darauf verzichten, ihre Meinung zu sagen.

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"Wir wollen einen Waffenstillstand so schnell wie möglich und dann Verhandlungen." Theologin Margot Käßmann

Von Rechten wie den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der das Manifest Wagenknechts und Schwarzers auch unterzeichnet hat, distanzierte sich Käßmann bei Phoenix: "Wer für den Frieden demonstriert, kann nicht Nationalismus befördern wollen. Genau das ist ja im Moment in Russland das Problem - diese nationalistische Haltung."

"Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg"

"Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg" lautete der Slogan für eine Demonstration am frühen Abend in Köln, die das Kölner Friedensforum organisiert hat. Ukrainische und russische Kriegsgegner wollten dort Grußworte sprechen.

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