Es ist der größte Bankenkollaps seit 15 Jahren und tatsächlich erinnert vieles an die Finanzkrise von 2008: Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank wurde nun auch die New Yorker Signature Bank von der Finanzaufsicht geschlossen. Und schon wieder sind es zwei US-Finanzhäuser, deren Pleiten weltweit für Unruhe und Angst von einem Dominoeffekt sorgen. An den Börsen sind die Auswirkungen bereits deutlich spürbar. Stehen die nächste Finanzkrise bevor und was sind die Folgen für Deutschland?
Worum geht es gerade?
Die Silicon Valley Bank gilt als Hausbank zahlreicher amerikanischer Start-ups und kleinerer Technologieunternehmen. Infolge der schnell steigenden Zinsen wollten die Firmen ihre teils hohen Einlagen auflösen und brachten die Bank damit in Zugzwang. Die New Yorker Signature Bank war das letzte Geldhaus mit großem Geschäft im Bereich der Kryptowährungen. Auch hier haben die Kunden im großen Stil ihre Gelder abgezogen.
"Die Banken mussten ihre Bestände an sogenannten festverzinslichen Wertpapieren, hauptsächlich Staatsanleihen, verkaufen", sagt Finanzexperte Ulrich Ueckerseifer aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. Dabei hätten sie jedoch enorme Verluste hinnehmen müssen. Denn aufgrund der ungewöhnlich schnell gestiegenen Zinsen seien ältere Anleihen im Vergleich zu neuen deutlich weniger wert. Dieser Unterschied müsse gegenüber potenziellen Käufern ausgeglichen werden - und das zusammengerechnet über eine Rest-Laufzeit von mehreren Jahren.
Die Folge: Anleger werden hektisch, ziehen ihr Geld ab. Der Versuch, durch die überstürzte Ausgabe von Aktien an frisches Kapital zu kommen, sorgte für weitere Verunsicherung. Der Kurs der Aktie der Silicon Valley Bank brach an der Wall Street innerhalb eines Tages um 60 Prozent ein: Rekord. Die Bank wurde unter staatliche Kontrolle gestellt.
Was passiert mit den Spareinlagen?
Die Banken stehen unter Kontrolle des Einlagensicherungsfonds der USA. Üblicherweise würden dadurch Ersparnisse von bis zu 250.000 Euro garantiert, sagt Ueckerseifer. Doch das sei der US-Finanzaufsicht in diesem Fall nicht genug gewesen. "Die hatten Angst vor einem richtig großen Bank-run". Die Regierung hatte deshalb zugesichert, dass sämtliche Einlagen geschützt werden sollen und die Kunden auf ihr gesamtes Geld zugreifen können. "Es haftet also wieder einmal der Staat", so Ueckerseifer.
Finanzministerin Janet Yellen und Notenbankchef Jerome Powell beteuerten jedoch am Sonntagabend, dass der Steuerzahler "keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen" müsse.
Gibt es auch Folgen für Deutschland?
Die Silicon Valley Bank hat eine Niederlassung in Deutschland, die am Montag von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) "aufgrund der bestehenden Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern" geschlossen wurde. Die SVB Germany habe jedoch keine systemische Relevanz, betonte die BaFin.
Auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hält die Folgen der Pleite für die hiesigen Geldhäuser für eng begrenzt. Diese seien "robust, stabil und widerstandsfähig".
"Aber das Grundproblem der fallenden Kurse bei den Anleihen infolge der steigenden Zinsen haben fast alle Banken, auch die deutschen", erklärt Ueckerseifer. So sei beispielsweise bei den Sparkassen bereits erkennbar, dass der Gewinn deutlich zurückgehe. "Wenn es dann noch in einem anderen Geschäftsbereich Probleme gibt, kann es schnell eng werden, da der Speck jetzt schnell weggeht."
Steht die nächste Finanzkrise bevor?
Laut Ueckerseifer dürfe die Gefahr einer erneuten großen Finanzkrise nicht unterschätzt werden und stehe bei etwa 50 Prozent. Das hänge von verschiedenen Faktoren ab und die Situation sei für die Finanzmärkte völlig ungewohnt.
Immerhin galten gerade Staatsanleihen in den vielen Jahren der Niedrigzinspolitik als praktische risikolose Kapitalanlage. Eine trügerische Annahme, die sich nun innerhalb kürzester Zeit grundlegend verändert habe. Denn infolge des Krieges in der Ukraine stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone wie auch in vielen anderen Teilen der Welt massiv an. Um die hohe Inflation zu bekämpfen hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze in wenigen Monaten fünf Mal erhöht – insgesamt um drei Prozentpunkte. Dennoch ist die Inflation im Euroraum bis dato kaum abgeflacht.
EZB-Chefin Christine Lagarde hat deshalb mehrfach betont, die Zinssätze auch bei der nächsten Sitzung der Notenbank am kommenden Donnerstag weiter anheben zu wollen. Doch der anhaltende Anstieg würde das Bankensystem weiter strapazieren und wozu das führen könnte, wurde bei der Bankenpleite in den USA deutlich. Finanzexperte Ueckerseifer rechnet deshalb mit einer Kurskorrektur und mehr Zurückhaltung bei den Notenbanken. Wie es weitergeht bleibt aber unklar.