Reparieren statt neu kaufen: Was das EU-"Recht auf Reparatur" bringen könnte
Stand: 21.11.2023, 17:50 Uhr
Geht das Handy kaputt oder funktioniert die Spülmaschine nicht mehr - häufig scheint es einfacher, ein neues Gerät zu kaufen, anstatt das alte reparieren zu lassen. Das will die EU mit einem "Recht auf Reparatur" nun ändern.
Von Nina Magoley
Der Staubsauger gibt den Geist auf, die Kaffeemaschine hat Aussetzer, der Hochdruckreiniger baut nicht mehr genügend Druck auf. Was nun? Lohnt sich eine Reparatur? Oder doch direkt ein neues Teil kaufen? Nachhaltiger ist eine Reparatur in jedem Fall: 35 Millionen Tonnen Abfall entstehen in der EU jedes Jahr durch weggeworfene Geräte. Einer EU-Studie zufolge würden 77 Prozent der EU-Bevölkerung ihre Geräte lieber reparieren lassen als neu kaufen.
Mit einer neuen Regelung zum "Recht auf Reparatur" will die EU nun mehr Nachhaltigkeit anregen: Sie soll die Reparatur kaputter Geräte einfacher machen, Abfall reduzieren und die Reparaturbranche fördern. Das gab die EU am Dienstag in einer Pressemitteilung bekannt.
Das sind die Punkte, die das EU-Parlament bislang formuliert hat:
- Während der gesetzlichen Garantiezeit sollen Verkäufer verpflichtet sein, zu reparieren anstatt zu ersetzen, wenn eine Reparatur gleich viel oder weniger kostet – es sei denn, die Reparatur ist nicht machbar oder für Verbraucher ungünstig.
- Nach einer Reparatur soll sich die gesetzliche Garantiezeit automatisch um ein Jahr verlängern.
- Verbraucher sollen das Recht haben, für Geräte wie Waschmaschinen, Staubsauger und Smartphones sowie für Fahrräder auch nach Ablauf der Garantiezeit eine Reparatur zu verlangen.
- Hersteller sollen für die Dauer der Reparatur Leihgeräte zur Verfügung stellen.
- Kann ein Produkt nicht mehr repariert werden, könnte stattdessen ein bereits repariertes Produkt angeboten werden.
Für die Umsetzung dieser Regelung sollen unabhängige Betriebe, die Reparaturen und Instandsetzung anbieten, mit eingebunden werden: Sie sollen "alle nötigen Ersatzteile, Informationen und Werkzeuge zu angemessenen Preisen bekommen", heißt es in einer ersten Erklärung des EU-Parlaments.
Künftig mehr Infos vom Hersteller
Philip Held von der Verbraucherzentrale NRW erklärt, wie das künftig funktionieren könnte: Geht ein Produkt nach Ablauf der zweijährigen Garantiezeit kaputt, kann man sich entweder an den Hersteller wenden. Dort würde man eine Reparaturanleitung erhalten und die Info, wo es Ersatzteile gibt. Oder man bringt das Teil direkt in eine unabhängige Reparaturwerkstatt - die dann ebenfalls leichter als bisher Zugang zu Datenbanken, Ersatzteilen oder Anleitungen hat und die Reparatur durchführen kann.
Bezahlen würde der Kunde die Reparatur selbst. Ob das Ganze dann günstiger ist als ein Neukauf - das müsste sich noch erweisen. Um Reparaturen erschwinglicher und lohnender zu machen, schlagen die EU-Abgeordneten nationale "Reparaturfonds" vor, über die es zum Beispiel Gutscheine geben soll.
Frankreich: Reparaturbonus auch für Kleidung
Einen solchen staatlichen Reparaturbonus gibt es bereits in Frankreich und Österreich. In Deutschland bieten als einziges Bundesland Thüringen, außerdem einzelne Kommunen, kleine Förderungen an - die aber meistens über limitierte Fonds laufen. Dauerhaft stabiler ließe sich das Ganze finanzieren, so Held, wenn die Mehrwertsteuer bei Reparaturarbeiten auf sieben Prozent gesenkt würde.
Online-Plattformen mit Adressen von Reparaturwerkstätten
Weiter sieht die EU-Regelung vor, dass Verbraucher in jedem EU-Staat auf Online-Plattformen erfahren können, wo sie Reparaturbetriebe oder Repaircafés in ihrer Nähe finden. Auch Verkäufer gebrauchter Geräte sollen dort registriert sein. In Deutschland gibt es bereits mehrere solcher Onlineseiten, auf denen man über Eingabe der Postleitzahl die Adressen von Reparaturcafés findet.
Speziell für NRW hat die Verbraucherzentrale eine "Mitmachkarte" mit vielen Adressen erstellt:
Ökodesign: Hersteller nicht genügend in der Pflicht
Handys lassen sich oft nicht reparieren
Für Philip Held von der Verbraucherzentrale ist die EU-Regelung "ein guter erster Schritt" - allerdings fehlten ihm noch viele Details. So gelte die Regelung voraussichtlich nicht für kleinere Haushaltsgeräte oder Computer. Auch kritisiert Held, dass das EU-Parlament versäumt habe, Hersteller zu reparaturfreundlicheren Konstruktionen - dem sogenannten Ökodesign - zu verpflichten: Immer mehr Hersteller würden beim Design ihrer Produkte dafür sorgen, dass wichtige Einzelteile wie zum Beispiel Akkus oder Bildschirme nicht durch unabhängige Werkstätten oder die Verbraucher selbst ausgetauscht werden können.
Häufig seien solche Teile eingeklebt statt verschraubt, sodass ein Austausch nicht ohne weiteres möglich ist. Apple konstruiere so seine Produkte, aber auch beispielsweise Vorwerk oder Miele. "Das dient ausschließlich dem Profit der Hersteller", sagt Held, "und das hätte die EU dringend verbieten müssen".
Bundesumweltministerin will eigenes Reparaturgesetz vorlegen
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nannte die Entscheidung des Europäischen Parlaments "wegweisend". Viele Menschen könnten sich heute gar nicht mehr vorstellen, "wie viele Konsumartikel man relativ einfach reparieren kann". Die Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten nehme immer weiter ab. Lemke kündigte an, 2024 ein Reparaturgesetz für Deutschland vorzulegen und eine Förderung für Reparatur-Initiativen zu starten.
Bis zur Umsetzung der neuen EU-Regelungen wird es aber noch dauern. Die EU-Parlamentarier müssen sich noch mit dem Europäischen Rat - also den Vertretern der EU-Länder - auf eine endgültige Fassung einigen, damit das Gesetz womöglich noch vor der EU-Wahl im Juni 2024 in Kraft treten kann.
Unsere Quellen:
- Eigene Recherche, u.a. Interview Verbraucherzentrale NRW
- Pressemeldung des EU-Parlaments
- dpa