Seit es den Textroboter ChatGPT gibt, hat sich die Arbeit von Hendrik Richarz zum Teil spürbar erleichtert. Richarz leitet ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen in Remagen und seit einigen Monaten hat ChatGPT einen festen Platz auf seinem PC-Desktop. Wenn der Geschäftsführer längere Texte schreiben muss, kommt die Künstliche Intelligenz oft zum Einsatz.
So kürzlich für die Rede zur Verabschiedung eines langjährigen Kollegen. Richarz wünschte sich eine humorvolle Rede und listete eine paar Eigenschaften des Mitarbeiters auf. "Und tatsächlich kam da ein ganz amüsanter Text raus, den ich auch bei dem Ausstand zum Besten gegeben habe", sagt Richarz. Aber auch bei anderen Aufgaben greife er auf den Chatbot zurück - zum Beispiel, wenn er Unterweisungen zum Arbeitsschutz formuliere. Natürlich müsse dann noch einmal draufgeschaut werden, ob das Ergebnis Hand und Fuß habe. Aber auf jeden Fall liefere ChatGPT eine gute Struktur für seine Texte.
Start von ChatGPT vor einem Jahr
So wie Richarz dürften es vielen anderen gehen. Vor rund einem Jahr - am 30. November 2022 - hat das US-amerikanische Unternehmen OpenAI den Chatbot veröffentlicht. Seitdem haben ChatGPT und ähnliche Anwendungen einen Raketenstart hingelegt. Die Idee dahinter: Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) können unterschiedlichste Fragen beantwortet werden. Die KI schafft das auf Basis maschinellen Lernens, bei dem eine Software Datenmengen nach Übereinstimmungen durchforstet und Schlussfolgerungen zieht. Mittlerweile ist es auch möglich, Bilder von Ereignissen zu erzeugen, die niemals stattgefunden haben.
Zwar wird auch ausführlich über Gefahren und Risiken der neuen Technologie diskutiert - etwa auf die Debattenkultur, wenn nicht mehr klar ist, ob Bilder echt sind oder nicht. Doch im Alltag hat sich ChatGPT schon bei vielen etabliert.
Viele nutzen den Chatbot in Schule und Beruf
Das zeigt eine WDR-Umfrage unter zufällig ausgewählten Menschen auf der Straße. "Wenn die Schule ein bisschen viel wird, kann man damit echt easy einen Text schreiben", sagte zum Beispiel eine Schülerin. Ein Steuerberater erzählte, dass er Funktionen nutze, um Briefe zu schreiben. "Das Ding macht dann alles automatisch."
Auch Elke Thomé nutzt die Technik. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann einen Friseurbetrieb. ChatGPT nutzt sie, um zum Beispiel Postings für den Social Media-Account des Betriebs zu erstellen oder um Texte für Stellenanzeigen zu formulieren. "Gerade bei uns im Handwerksbetrieb, wo man auch oft ad hoc Dinge mal machen muss, weil irgendwas anders ist, ist das eine enorme Erleichterung", sagt Thomé.
TÜV-Umfrage: Mehr als ein Drittel haben ChatGPT ausprobiert
Der TÜV-Verband hat ein Jahr nach dem Start eine repräsentative Umfrage zur Nutzung durchgeführt, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: 37 Prozent haben ChatGPT schon einmal ausprobiert – vor allem Jüngere. "ChatGPT ist eine Technologie, die gekommen ist, um zu bleiben", sagt TÜV-Geschäftsführer Joachim Bühler im WDR-Interview. Zuhause werde die Technik eher genutzt als im Job. Keine andere Technologie habe so schnell eine Million Nutzer erreicht, betont Bühler. Beim iPhone habe das noch 74 Tage gedauert. ChatGPT habe die Marke bereits fünf Tage nach der Veröffentlichung geknackt.
Blauäugig gehen die Menschen aber offenbar nicht an die Sache heran. So sagen 78 Prozent, dass sie derzeit nicht abschätzbare Risiken der Technologie sehen. Und eine Mehrheit vertraut den Ergebnissen nicht automatisch. "Die Menschen haben einen erstaunlich klaren Blick auf diese Technologie", sagt Bühler. Dementsprechend stimme mit 83 Prozent auch ein Großteil für gesetzliche Vorgaben.
Potenzial, um Fachkräftemangel abzufedern
Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company sagt, dass Textroboter, Bildgeneratoren und andere Programme den Fachkräftemangel spürbar lindern können. "Die Technologie hat das Potenzial, Arbeitsschritte zu teilautomatisieren, Menschen von Routinearbeiten zu entlasten und so neue Freiräume für kreative Arbeit und Innovation zu schaffen", sagt Holger Hürtgen, Partner im Düsseldorfer McKinsey-Büro.
Aber nicht alle Branchen würden gleichmäßig profitieren. Besonders vielversprechend sei der Nutzen bei Jobs, die ein hohes Bildungsniveau erforderten. "Diese Tätigkeiten sind komplex und profitieren daher stark von Optimierung und Automatisierung." So könnten beispielsweise Arbeiten in den Bereichen Recht, Weiterbildung oder Naturwissenschaften/Mathematik/Informatik profitieren. Körperlich geprägte Arbeiten würden hingegen kaum beeinflusst.
Achtung bei Nutzung im Job
"Auch wenn ChatGPT wie andere Chatbots noch weit davon entfernt ist, perfekt zu sein, so ist es doch wirklich erstaunlich, was KI heute bereits schon kann", sagt WDR-Digitalexperte Jörg Schieb. Die Texte seien zwar manchmal enttäuschend, aber "häufig beeindruckend".
Im Job könne die Technik zum Beispiel verwendet werden, um Umsatzzahlen auszuwerten und am Ende eine fertige Grafik geliefert zu bekommen. Schieb warnt aber davor, zu blauäugig an die Sache heranzugehen. "Man sollte sich überlegen, ob man das nicht besser dem Chef sagt. Denn man weiß nicht, was mit den Daten passiert." Der Datenschutz sei nicht ganz geklärt.
Maschinenbauer Richarz übernimmt seine ChatGPT-Texte übrigens selten komplett so, wie die KI sie erstellt hat. Oft legt er selber noch einmal Hand an. So auch, als er kürzlich die KI um einen Text für die Beschreibung seines Unternehmens auf einem Job-Portal bat: "Das hat ChatGPT als Anlass genommen, da dermaßen den Honigtopf auszupacken und uns als allwissendes Unternehmen darzustellen, wo ich dachte: Okay, da bin ich dann vielleicht doch etwas bescheidener und habe etwas Schärfe rausgenommen."
Unsere Quellen:
- WDR-Interviews mit Hendrik Richarz und Elke Thomé
- Jörg Schieb im WDR5-Morgenecho
- repräsentative Umfrage TÜV-Verband
- WDR-Straßenumfrage
- Nachrichtenagentur dpa