Bundesgartenschau: Einigung im Sombrero-Streit
Stand: 18.04.2023, 13:32 Uhr
Die Show der Senioren-Tanztruppe auf der Bundesgartenschau stand schon lange fest. Doch der Auftritt in Sombreros, Kimonos und Saris war den Veranstaltern zu klischeehaft. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Nun gibt es einen Kompromiss.
Kitas, die Eltern darum bitten, bei ihren Kindern an Karneval auf Indianer-oder Scheich-Kostüme zu verzichten. Eine Schweizer Band, die ihr Konzert abbrechen muss, weil Besucher sich daran stören, dass weiße Musiker mit Dreadlocks jamaikanische Musik spielen. Es gibt einige Beispiele dafür, dass Kostüme oder Frisuren eine Debatte um "kulturelle Aneignung" auslösen.
Tanzgruppe soll Klischee bedient haben
Jüngster Fall: Die Verantwortlichen der Bundesgartenschau störten sich am Auftritt einer Tanzgruppe - weil einige der Kostüme der Senioren-Truppe Klischees bedienten, wie es heißt. Eigentlich sollte das AWO-Ballett Rheinau von April bis Oktober ein Mal pro Monat bei der Bundesgartenschau (Buga) in Mannheim auftreten. Doch nach der Buga-Kritik standen diese Termine plötzlich auf der Kippe.
Im Gespräch mit dem WDR sagt Erika Schmaltz, Chefin der Truppe, dass das zuständige Buga-Team sechs von 14 Kostümen wegen zu klischeehafter Darstellung und angeblicher kultureller Aneignung abgelehnt habe.
Kulturelle Aneignung? Der ägyptische Tanz des AWO-Balletts
"Wir sollten die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalische Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen verkleidet sind, nicht zeigen", sagte Schmaltz.
Tanz in holländischen Schuhen erlaubt
Verständnis hatte Schmaltz für die Buga-Kritik zunächst nicht. In ihrer Gruppe tanzten Frauen aus China, Russland und der Ukraine im Alter von 60 bis 85 Jahren. Das AWO-Ballett gibt es seit 42 Jahren. Die Frauen treten ehrenamtlich in Altenheimen oder auf Straßenfesten auf. Dass sie mit ihren Tänzen und Kostümen etwas kulturell Übergriffiges auf die Bühne bringen, sehe sie nicht, so Schmaltz.
Keine Kulturelle Aneignung? Der holländische Tanz des AWO-Balletts
Dagegen nicht moniert hatte die Buga unter anderem den Tanz in holländischen Holzschuhen, einen irischen Steptanz sowie den brasilianische Samba. Eine genaue Begründung dazu habe man ihr nicht mitgeteilt, sagte Schmaltz.
Die Buga hatte ihre Kritik erst am vergangenen Mittwoch geäußert, obwohl die Aufträge an das Ballett schon vor Weihnachten vergeben worden seien.
Einigung erzielt: Sprechen und reflektieren
Am Montag gab es dann einen Vermittlungstermin zwischen Buga-Verantwortlichen und der AWO. "Uns geht es nicht um Verbote. Vielmehr werben wir für einen reflektierten Umgang mit kulturellen Codes", hatte Fabian Burstein, Leiter des Buga-Kulturprogramms, im Vorfeld gesagt. Ziel des Treffens sei ein Auftritt des Balletts und eine erlebbare Vielfalt der Kulturen, ohne sie in einen missverständlichen Kontext zu setzen, so Burstein.
Nun also die Einigung: Die "Weltreise mit dem Traumschiff" darf auf die Bühne - unter diesem Titel tanzt das AWO-Ballett aus Rheinau in ihrem Programm um die Welt. Drei Kostüme werden angepasst. Aus den Pharaoninnen müssen ägyptische Arbeiterinnen werden, die Mexikaner verlieren ihre Sombreros und die Asiatinnen bekommen modernere Outfits. Für die AWO in Mannheim ein guter Kompromiss.
Kann man "kulturelle Aneignung" definieren?
Der Soziologe Lars Distelhorst hat sich um eine Klärung des Begriffes bemüht und der Suche nach selbiger ein ganzes Buch gewidmet. Eine "kulturelle Aneignung" kann er im vorliegenden Fall nicht erkennen.
Diese setze eine stark überlegene Kultur voraus, die sich von einer unterlegenen gegen deren Willen etwas aneigne. Oft liege dieser eine koloniale oder Ausbeutungsgeschichte zugrunde. So gesehen sei etwa das Verbot eines Tanzes im Kimono nicht nachvollziehbar: "Japan ist G7-Staat und war selbst Kolonialmacht. Ein Machtungleichgewicht gibt es da nicht."
"Das ist einer der vielen bedauerlichen Fälle wo die Diskussion nicht da geführt wird, wo sie hingehört", sagt der Professor der Fachhochschule des Mittelstands in Berlin. Das erlebe er immer wieder. Dabei sei koloniale Beutekunst das viel größere Problem. "Davon steht in Berliner Museen noch genug rum", so Distelhorst.
Tänze seien nicht "unproblematisch"
Ganz unproblematisch seien die Tänze des AWO-Balletts trotzdem nicht, da sie Stereotype bedienten. Weder liefen Mexikaner alle in Sombreros rum, noch alle Spanier mit Kastagnetten. Distelhorst fände es richtig dies einzuordnen.