Bürgergeld: Debatte um Vorschlag der CDU
Aktuelle Stunde . 18.03.2024. 35:39 Min.. UT. Verfügbar bis 18.03.2026. WDR. Von Nils Rode.
Jung, fit und trotzdem Bürgergeld? Was die CDU ändern will
Stand: 19.03.2024, 10:36 Uhr
Die CDU will das Bürgergeld im Falle eines Sieges bei der nächsten Bundestagswahl drastisch reformieren - und fordert schärfere Sanktionen für "Totalverweigerer". Was genau geplant ist.
Von Jörn Seidel
Die CDU bringt sich für die nächste Bundestagswahl im Herbst 2025 in Stellung. Am Montag hat die Parteispitze in Berlin Pläne für einen radikalen Umbau des Bürgergelds beschlossen. Auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann unterstützt das Konzept. Fragen und Antworten.
Was will die CDU beim Bürgergeld reformieren?
Es fängt schon beim Namen an. Die CDU will das Bürgergeld in "Neue Grundsicherung" umbenennen. Denn: "Der Name 'Bürgergeld' führt in die Irre und ist Ausdruck des politischen Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens", heißt in dem Konzept, das der CDU-Bundesvorstand am Montag nach Angaben von Generalsekretär Carsten Linnemann einstimmig beschlossen hat.
Die "große Mehrheit der Menschen in der Grundsicherung" wolle arbeiten und müsse besser unterstützt werden, heißt es in dem Konzept weiter. "Eine Minderheit, die sich nicht an die Regeln hält beziehungsweise diese ausnutzt, bringt das gesamte System in Verruf."
Sanktionen sollten "schneller, einfacher und unbürokratischer" durchgesetzt werden, heißt es in dem Papier. "Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab ('Totalverweigerer'), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist - ein Anspruch auf Grundsicherung besteht dann nicht mehr".
Jens Spahn (CDU)
Es gehe um 24-, 28-, 33-jährige "gesunde, fitte, junge Menschen", sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn bereits im September zu den geplanten Sanktionen.
Zudem soll künftig jeder, der zu Terminen im Jobcenter "ohne sachlichen Grund wiederholt nicht erscheint, zunächst keine Leistungen mehr bekommen". Die einbehaltenen Leistungen sollen erst dann ausgezahlt werden, "wenn der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird".
Auch die Vermögensregelungen sollen verschärft werden. Die CDU will künftig wieder vom ersten Tag an eine Vermögensprüfung vornehmen - derzeit geschieht das in der Regel erst nach zwölf Monaten. Die Grenzen für das sogenannte Schonvermögen sollen gesenkt werden. Der Missbrauch der Leistungen solle durch "einen vollständigen Datenaustausch zwischen den Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden" besser bekämpft werden.
Was sagt NRW-Sozialminister Laumann dazu?
Karl-Josef Laumann (CDU)
Als Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA hat Karl-Josef Laumann in Sachen Bürgergeld eine gewichtige Stimme in seiner Partei. Am Montag verteidigte er die Reformpläne seiner Partei. Der Name Bürgergeld setze "falsche Anreize", sagte der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister.
Das Konzept zum Umbau des Bürgergelds sei ausgesprochen ausgewogen, sagte Laumann. "Es bekennt sich eindeutig zu einer vernünftigen Grundsicherung. Es sagt auch eindeutig, dass wir den aktivierenden Sozialstaat wollen."
Wie realistisch ist, dass der geforderte Umbau des Bürgergelds kommt?
Die CDU will mit ihren Plänen zum Bürgergeld offenbar Punkte im Wahlkampf machen. Die nächste Bundestagswahl ist im September 2025. Ob die Partei ihr Konzept danach ganz oder teilweise umsetzen kann, hängt vor allem vom Wahlergebnis und möglichen Koalitionspartnern ab.
FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer begrüßte am Montag die Pläne der Christdemokraten, warf ihnen aber auch Ideenklau vor. "Es ist schön zu sehen, dass die CDU der FDP jetzt programmatisch folgt", betonte Meyer.
Britta Haßelmann (Grüne)
SPD-Chef Lars Klingbeil hingegen sprach von einem "Angriff auf den Sozialstaat", Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann "Populismus auf Kosten der Betroffenen". Unter der jetzigen Ampel-Regierung, die das Bürgergeld als Nachfolger des Arbeitslosengelds II eingeführt hat, wird das Bürgergeld also sicherlich nicht radikal reformiert.
Stefan Graaf
Kleinere Reformen sind aber jederzeit möglich. Stefan Graaf, Sprecher des Bundesnetzwerks der Jobcenter und Geschäftsführer des Jobcenters Städteregion Aachen, würde sich zum Beispiel darüber freuen, wenn der CDU-Vorschlag zur Terminuntreue umgesetzt werden würde. Denn tatsächlich gebe es "eine Reihe von Menschen", die Termine verstreichen lassen und Leistungskürzungen um zehn Prozent in Kauf nehmen, sagte Graaf am Dienstag dem WDR. Mehr sei nicht erlaubt.
Wie jung, fit und arbeitswillig sind die Bürgergeld-Empfänger?
Der größte Teil der erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger ist zwischen 25 und 54 Jahre alt, zeigen die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. Knapp ein Fünftel ist jünger als 25. Ebenso groß ist der Teil der Menschen ab 55 Jahren.
Wie viele "gesunde, fitte" Bürgergeld-Empfänger es gibt, die Spahn mit den geplanten Sanktionen treffen will, erfasst die Bundesagentur für Arbeit nicht.
Die Behörde erfasst nach eigenen Angaben auch nicht die reine Zahl an "Totalverweigerern", von denen die CDU spricht, also jene, die "zumutbare Arbeit" ablehnen. Erfasst wird aber die Gesamtzahl der Fälle, in denen Empfänger die "Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses" verweigern.
Das waren laut tagesschau.de in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 insgesamt 13.838 Fälle. Demgegenüber stehen durchschnittlich etwa vier Millionen erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger.
Graaf bestätigt, was auch die CDU in ihrem Bürgergeld-Konzept schreibt: Die meisten erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger seien bereit zu arbeiten.
Über dieses Thema berichtet am 18.03.2024 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Mitteilung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA)
- Bundesagentur für Arbeit
- tagesschau.de
- WDR-Interview mit Stefan Graaf, Sprecher Bundesnetzwerks der Jobcenter und Geschäftsführer des Jobcenters Städteregion Aachen