Schreiben statt Kleben: Offener Brief an Scholz für mehr Klimaschutz
Stand: 06.04.2023, 18:07 Uhr
Die "Letzte Generation" sorgt regelmäßig für Schlagzeilen. Eine Gruppe aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft will die Aufmerksamkeit wieder auf den Klimaschutz richten - mit einem Brief an den Kanzler.
Von Christian Wolf
Es ist schon ein paar Jahre her, aber im September 2019 gelang es den Klimaaktivisten von Fridays for Future, Hunderttausende vor allem junge Menschen auf die Straßen zu bringen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Es war der Höhepunkt der Bewegung.
Blockade am Elbtunnel
Inzwischen dominieren andere die Schlagzeilen. Mit dem Beschmieren von Kunstwerken und vor allem dem Festkleben auf Straßen sorgt die "Letzte Generation" regelmäßig für Aufsehen. Am Gründonnerstag wurde der Elbtunnel in Hamburg blockiert. Die Folge waren kilometerlange Staus im Osterverkehr.
Wenig Befürworter von Blockaden
Während die Schülerinnen und Schüler von "Fridays for Future" trotz Schulschwänzens noch viele andere Menschen mit ihren Demos erreichten, sieht das bei der "Letzten Generation" anders aus. 84 Prozent sagten Ende 2022 im ARD-Deutschlandtrend, dass sie das Blockieren von Straßen für nicht gerechtfertigt halten. Offenbar gelingt es den "Klimaklebern" nicht, die Menschen mit ihren Aktionen mitzunehmen.
Offener Brief mit Klimaappell an Scholz
Nun haben Hunderte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben, um zu mehr Klimaschutz aufzufordern. Sie wollen den Fokus wieder auf das Wesentliche richten - weg vom Ankleben, hin zum Anpacken.
Zwar bezeichnen auch sie sich als "letzte Generation", die die "Klimakrise" aufhalten könne. Doch in dem Brief heißt es: "Der Kampf gegen die Klimakatastrophe und für das ehrgeizige, Paris-konforme klimapolitische Handeln ist wichtiger und vordringlicher als die Auseinandersetzung über das 'Klimakleben'." Es brauche eine "umfassende, zügig umgesetzte Klimapolitik. Wir können uns keine Halbherzigkeiten mehr leisten, keine weiteren Nebelkerzen, kein weiteres Zögern." Klima sei kein "Thema", sondern eine "parteiübergreifende, staatstragende und historisch beispiellose Aufgabe".
Kritik an Ampel-Beschlüssen
Unter den über 400 Erstunterzeichner sind Mitglieder von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linke und FDP. Sie alle kritisieren die jüngsten Beschlüsse der Ampel-Regierung, dass es künftig keine strikten Emissionsvorgaben mehr für einzelne Bereiche wie Energie, Verkehr und Gebäude geben soll, die einzeln eingehalten werden müssen. "Werden die notwendigen Entscheidungen nicht in dieser Legislaturperiode getroffen und ihre Umsetzung forciert, beginnt der langfristige Umbau zu spät. Bei diesem Zeitdruck darf sich niemand verstecken. Wir brauchen die jahresscharfe Verantwortlichkeit und Verantwortliche explizit in allen Sektoren."
CDU-Politiker Ruprecht Polenz
Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hat den Brief unterzeichnet. Mit den "Klimaklebern" der "Letzten Generation" will er sich nicht gemein machen. Bei aller Kritik an deren Aktionen solle nicht vergessen werden, "uns auf die Sache zu konzentrieren und das ist der Klimaschutz", sagte er dem WDR. Polenz räumt aber ein, zu seiner aktiven politischen Zeit zu wenig für Klimaschutz getan zu haben. "Das habe ich zu spät gemacht. Aber das ist, denke ich, kein Grund, es nicht heute besonders zu artikulieren, dass da was passieren muss."
Große Unzufriedenheit mit Klimapolitik der Ampel
Dass etwas passieren muss, sehen auch viele andere so. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend, der am Donnerstag präsentiert wurde, gaben 69 Prozent an, mit den Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutz wenig oder gar nicht zufrieden zu sein. Denn: Das Thema Umweltschutz und Klimawandel wird als das derzeit wichtigste Problem angesehen - noch vor dem Ukraine-Krieg oder der Inflation.
Außerdem zeigt sich: Viele Menschen wünschen sich mehr Veränderungsgeschwindigkeit für Klimaschutz. So sagen 44 Prozent, dass es ihnen zu langsam geht. Interessant ist, dass deren Anteil bei den Jüngeren größer ist als bei den Älteren.