Pakt mit der Politik? Wie die "Letzte Generation" versucht, zu verhandeln
Stand: 04.04.2023, 18:10 Uhr
Die "Letzte Generation" polarisiert mit ihren Klebeaktionen. Jetzt suchen die Aktivisten das Gespräch mit Stadtoberhäuptern. Die Bonner Oberbürgermeisterin schrieb anschließend sogar einen Brief an den Bundeskanzler - aus Überzeugung, wie sie sagt.
Von Nina Magoley
Ihre Klimaprotestaktionen sind radikal: Wenn sich die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" mit Sekundenkleber auf Straßen festkleben und dadurch riesige Verkehrsstaus auslösen, wenn sie Denkmäler oder Museumskunst mit Kartoffelbrei bewerfen - dann schäumen die Emotionen mittlerweile hoch.
Die "Letzte Generation" polarisiert: Die einen betrachten solche Aktionen als notwendige Eskalation im Kampf für einen Erhalt des Planeten. Anderen gehen die Aktivisten zu weit. Nachdem die Klebeaktion zunehmend zu Ärgernissen werden und die eigentliche Botschaft dabei in den Hintergrund tritt, sucht die Gruppe nun offenbar das Gespräch mit Städten und Gemeinden.
"Gutes Gespräch"
Auf der Suche nach offiziellen Fürsprechern hatte "Letzte Generation" auch in Bonn angefragt. Ende März traf sich die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) mit Vertreterinnen und Vertretern der Klimabewegung.
"Es war ein gutes Gespräch, ein sehr guter Austausch", sagte Dörner am Dienstag rückblickend dem WDR. In der Frage, wie wichtig es sei, gegen die Folgen der Klimakrise aktiv zu sein, seien sie einer Meinung gewesen. "Nicht über die Frage, mit welchen Mitteln man das umsetzt."
Kann Verzweiflung nachvollziehen: Bonner OB Katja Dörner
Sie könne nachvollziehen, mit welch "hoher Dringlichkeit und teilweise einer gewissen Verzweiflung" die Aktivisten "auf das schauen, was zum Klima in diesem Land bewegt oder auch nicht bewegt wird". Die Aktionen der "Letzten Generation" aber finde sie "nicht richtig: Man muss die Menschen dafür gewinnen, sich für den Klimaschutz zu engagieren". Dazu trügen die Klebeaktionen nicht bei.
Bonner OB schreibt Brief an Scholz
In Absprache mit den Klimaaktivisten hat Dörner dann einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben, in dem sie vorschlägt, einen "repräsentativen, zufällig ausgewählten" Gesellschaftsrat einzuberufen. Sie bitte Scholz um Unterstützung der Kommunen bei der Bekämpfung der Klimakrise.
Die Idee der "Letzten Generation", einen Gesellschaftsrat einzuberufen, finde sie sehr sinnvoll, sagt Dörner - "um der Thematik Klimaschutz größere Öffentlichkeit schaffen". Einen "Automatismus" - etwa dass Forderungen der Bürger sicher umgesetzt würden - dürfe es dabei aber nicht geben.
Keine "Wenn-dann-Gespräche" geführt
Dass sie sich, wie teils vermutet, von den Aktivisten unter Druck gesetzt fühlte, kann die Oberbürgermeisterin nicht bestätigen: "Wir haben keinerlei Wenn-dann-Gespräche geführt. Es wurden nichts ausverhandelt."
Man sei "sehr nah beieinander" gewesen, sagt auch "Letzte Generation"-Aktivistin Aila Gunkel, die bei dem Gespräch mit der Bonner Oberbürgermeisterin dabei war, im WDR-Interview. Es habe Konsens geherrscht darüber, dass "wir die Bundesregierung mit adressieren und direkt kontaktieren". Weitere Protestaktionen in Bonn schloss Gunkel aber auch nach dem Gespräch nicht aus.
Deals in Marburg, Hannover und Tübingen
Keine Klebeaktionen mehr nach Brief?
Das Gespräch in Bonn war nicht das erste dieser Art: Schon Anfang März hatten die Klimaschützer mit dem Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) einen Deal vereinbart. Letzte Generation versprach, dass es künftig in Marburg keine Klebeaktionen mehr geben würde. Spies schrieb dafür einen Brief an die Bundesregierung mit der Bitte, Kommunen beim Klimaschutz mehr zu unterstützen. Die gleiche Abmachung erzielte die Initiative zuvor mit Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne).
Man habe bereits ein weiteres Gespräche mit einem Stadtoberhaupt NRWs geführt, sagt Aila Gunkel, weitere Einladungen seien verschickt. In Aachen stehe in den nächsten Wochen ein Treffen an. Eine Sprecherin der Stadt Wuppertal bestätigte dem WDR, dass es dort schon vor längerer Zeit ein Gespräch mit den Aktivisten gegeben habe.
"Nicht erpressbar"
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) dagegen habe ein Gespräch mit Letzte Generation "vehement abgelehnt", so Gunkel. Mitte März hatte Reker im Deutschlandfunk erklärt, die Forderungen der Gruppierung seien eine Form der Nötigung, die sie nicht unterstützen werde.
Die Stadt Düsseldorf sieht auf WDR-Anfrage "derzeit keinen Bedarf für einen Gesprächstermin mit der 'Letzten Generation'". Das Thema Klimaschutz sei für Düsseldorf "von zentraler Bedeutung", erklärt ein Sprecher. Die Landeshauptstadt sei "nicht erpressbar".
NRW prüft Gebühren für Klimakleber
Unterdessen prüft das Land NRW, ob die sogenannten "Klima-Kleber" ähnlich wie in anderen Bundesländern nach Polizeieinsätzen künftig zur Kasse gebeten werden könnten. Geklärt werden soll offenbar, ob die Gebührenordnung der Polizei auch Blockaden erfassen könnte. Anlass war ein Antrag der FDP, in dem namentlich die "Letzte Generation" genannt wurde. Innenminister Herbet Reul (CDU) sagte dazu vor wenigen Tagen, er habe "durchaus Sympathie" für diese Idee. CDU, SPD und Grüne kritisierten den Vorstoß der FDP scharf.