Hotline für Kommunalpolitiker

Bedrohte NRW-Kommunalpolitiker: Was bringt die neue Beratungsstelle?

Stand: 01.08.2024, 16:48 Uhr

Angriffe auf Kommunalpolitiker nehmen zu - auch in NRW. Jetzt gibt es eine bundesweite Beratungsstelle. Was kann sie leisten?

Von Dominik ReinleDominik Reinle

Wer sich in Deutschland politisch engagiert, dem drohen Anfeindungen. Das trifft nicht nur Bundespolitiker, sondern auch Menschen, die in der Lokalpolitik aktiv sind. Auch in NRW ist das so. Im Europawahlkampf wurden zum Beispiel in Essen im Mai zwei Grünen-Politiker angegriffen und in Köln Wahlkampfhelfer der FDP angegangen.

Auch davor sind schon andere Fälle bekannt geworden: Ende Februar warfen Unbekannte in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) einen Pflasterstein durch eine Scheibe des Büros der örtlichen Grünen. Ebenfalls im Februar gab es in Oberhausen einen Sprengstoffanschlag auf das Parteibüro der Linken.

Schon 23 Delikte bis Mai

Die Statistik zeigt, dass Kommunalpolitiker in NRW immer häufiger an angegriffen werden. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten gegen haupt- oder ehrenamtliche kommunale Politiker stieg nach Angaben des Innenministeriums von 31 im Jahr 2019 sprunghaft auf einen Höchststand von 161 im Jahr 2020. Danach sank die Zahl der Delikte zwar wieder, lag aber 2023 trotzdem noch bei 75 Straftaten.

Im Jahr 2024 gab es demnach alleine in den ersten fünf Monaten bereits insgesamt 23 Delikte gegen kommunale Amts- oder Mandatsträger in NRW. Bei den Straftaten handelte es sich am häufigsten um Beleidigungen, gefolgt von Nötigungen und Bedrohungen. Vereinzelt kam es aber auch zu Körperverletzungen. 

Kostenlose Hotline für Lokalpolitiker

Seit Donnerstag können sich nun bedrohte Kommunalpolitiker an eine neue bundesweite Beratungsstelle wenden. Die sogenannte "starke Stelle" ist telefonisch oder per Mail erreichbar, arbeitet kostenfrei und auf Wunsch der Betroffenen anonym. Sie wurde im Auftrag des Bundesinneminsteriums eingerichtet.

Portrait Andreas Hollstein

Ex-Bürgermeister Andreas Hollstein

Doch fehlen wirklich Beratung und eine offizielle Bertaungsstelle? Der ehemalige Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, der 2017 Opfer eines Messer-Angriffs wurde, sagte im Gespräch mit dem WDR am Donnerstag: "Die neue Beratungsstelle ist ein Baustein - notwendig, aber nicht ausreichend." Ob das individuelle Hilfsangebot auch genutzt werde, zeige die Auslastung in den nächsten Jahren.

Hollstein: "An die Öffentlichkeit gehen"

Hollstein verwies darauf, dass es je nach Bundesland bereits verschiedene Stellen gebe, die sich für bedrohte Kommunalpolitiker einsetzten. "Wir sind etwas besser dran in NRW als andere Länder", sagte er dem WDR. "Wir haben als Schwerpunktstaatsanwaltschaft die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Köln."

Für Hollstein ist der "Hauptpunkt" bei der Verbesserung der Lage von Lokalpolitikern jedoch deren eigenes Vorgehen. "Wer von ihnen Anfeindungen und Bedrohungen erlebt, soll damit an die Öffentlichkeit gehen." Nur so sei ein Schutz durch die Gesellschaft möglich. "Das kann eine Beratungsstelle nicht leisten."

Appell an die Gerichte

Hotline für Kommunalpolitiker

WDR Studios NRW 01.08.2024 00:56 Min. Verfügbar bis 01.08.2026 WDR Online


"Wenn wir Menschen für politische Ämter haben wollen, ist es gut, Solidarität zu zeigen", so Hollstein. Die Angegriffenen müssten unterstützt werden - mit Demonstrationen, öffentlichen Wortmeldungen oder persönlichen Mitteilungen. "Das darf nicht an Parteigrenzen haltmachen." Auch bei Angriffen auf AfD-Politiker müsse Stellung bezogen werden.

Als zweiten wichtigen Punkt nannte Hollstein das Durchgreifen der Justiz. Es handele sich bei den Taten nicht um Kavaliersdelikte. "Deshalb fordere ich die konsequente Anwendung des Strafrechts durch die Gerichte." Das passiere leider nicht immer.

Skepsis bei Anti-Stalking-Gesetz

Hollstein ist denn auch sehr zurückhaltend, was die Einschätzung des Gesetzesentwurfes aus Sachsen angeht, der politisches Stalking zum Straftatbestand macht. Der Entwurf soll nach der Sommerpause im Bundestag beraten werden. "Man muss abwarten, welchen Beitrag ein solches Gesetz möglicherweise leisten kann."

Auch den Entwurf zur Änderung des Melderechts sieht Hollstein skeptisch. Eine solche Änderung soll die Ausforschung von Wohnanschriften erschweren, indem eine Auskunftssperre für Mandatsträger festgeschrieben wird. "Bei Kommunalpolitiker bringt eine Meldesperre wenig, weil meist die Anschrift sehr leicht ausfindig zu machen ist."

Der WDR berichtet über das Thema am 1. August 2024 auch im Hörfunk und im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde.

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