Stellenabbau bei Ford und Thyssenkrupp, Sanierungspläne beim Discounter Kodi wegen finanzieller Schieflage: Die Ankündigungen, die alleine in dieser Woche gemacht wurden, haben zu Sorgen, Ungewissheit und Zukunftsängsten in NRW geführt. Tatsächlich ist die Arbeitsmarksituation im Land gerade schwierig. Laut Bundesagentur für Arbeit gab es in NRW im November knapp 40.000 arbeitslose Männer und Frauen mehr als im November vor einem Jahr. "Die schwache wirtschaftliche Entwicklung hat auch den Arbeitsmarkt in NRW erfasst", sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit.
Über 130.000 offenen Stellen in NRW
Doch es nicht so, dass es derzeit gar keine Jobs gebe. "Es gibt außerhalb der Industrie Bereiche, die deutlich wachsen", so der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber im WDR-Interview. "Gesundheit, Pflege, Erziehung, Verkehrswesen - da ist der Bedarf immer noch sehr hoch." Das belegen auch aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Demnach waren im November in NRW 132.843 offene Stellen gemeldet, 21.970 davon wurden neu geschaffen. Die meisten gemeldeten Stellen gibt es derzeit in der Fertigung (15.000) und Fertigungstechnik (19.000), im Handel (13.500), im Gesundheitsbereich (14.000) sowie bei Verkehrs- und Logistikberufen (19.000).
Verantwortung und Zukunftssicherheit im Verkehrssektor
Zukunftsbranche Verkehr
Ein Beispiel: die Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (NIAG) mit Sitz in Moers. Der Vorstandsvorsitzende Christian Kleinenhammann sieht nicht nur die NIAG, sondern die Branche generell im Aufwind. Themen wie Nachhaltigkeit, Verkehrswende und Klimaschutz hätten dazu geführt, dass man als "sehr attraktiver Arbeitgeber" wahrgenommen werde. Er hofft in Zukunft auf ein deutliches Wachstum an Mitarbeitern - nicht zuletzt wegen der Zukunftssicherheit: "Wer bei uns anfängt, kann auch bei uns in Rente gehen."
Einer, der unlängst bei der NIAG angefangen hat, ist Sebastian Burde. Ursprünglich bei der Post beschäftigt, ist der 25-jährige Duisburger nach einer Umschulung nun als Busfahrer tätig - und genießt den neuen Job als "King auf der Straße" sichtlich: "Man ist nicht mehr der kleine Postbote von nebenan, man hat eine Riesenverantwortung. Das ist die Motivation, die mich nach vorne bringt."
Fehlende Qualifikation oft das Problem
Auf der einen Seite gibt es tausende Jobs, die gestrichen werden, auf der anderen Seite sind derzeit in NRW mehr als 130.000 Stellen offen. Kann man hier nicht besser zusammenkommen? Christoph Löhr von der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit warnt vor voreiligen Schlüssen. Der entlassene Stahlarbeiter, der mal eben umschult und im Pflegeheim anfängt - "das stellen sich manche vor, aber das funktioniert nicht so einfach". Denn für den Großteil der offenen Stellen braucht man entsprechende Voraussetzungen und Kenntnisse.
Arbeitsmarktforscher sprechen hier von einem "qualifikatorischen Mismatch". Das bedeutet: Der Arbeitsmarkt in NRW ist zweigeteilt. Die Unternehmen suchen hauptsächlich qualifizierte Arbeitskräfte, während der Großteil der Arbeitslosen nicht die benötigten Qualifikationen besitzt. Zwar gibt es Angebote bei den Arbeitsagenturen in Sachen Weiterbildung, Umschulung und Nachqualifikation. Doch am Ende gibt es sowohl bei den Jobs, die eine Qualifikation benötigen, als auch bei den Helfertätigkeiten ein Missverhältnis: Es gibt deutlich mehr Arbeitssuchende als Angebote. Im November waren in NRW knapp 750.000 Menschen ohne Job.
Auf die Zukunftstechnologien setzen
Derzeit gehen in der klassischen Industrie in Deutschland pro Monat etwa 10.000 Stellen verloren. Für die Politökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel haben die aktuellen Probleme auch viel mit den Schwierigkeiten zu tun, klimaneutrale Wirtschaftsformen zu entwickeln. Industrielle Arbeitsplätze haben nach wie vor Zukunft - wenn sie sich den aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen anpassen. "Auch in der Industrie wird es Bedarfe geben bei erneuerbaren Energien, Wasserstofftechnik und neuen Werkstoffen", so Arbeitsmarktexperte Weber. Für diese Transformation würden durchaus die "klassischen technischen Bereiche" wie Elektro, Energietechnik, Maschinenbau oder Chemie benötigt. "Man muss sich überlegen: Was sind die Zukunftstechnologien?", sagt Göpel.
Unsere Quellen:
- Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW
- Interview im WDR 5-Morgenecho mit Maja Göpel
- Material aus WDR-Interviews mit Enzo Weber, Christian Kleinenhammann, Sebastian Burde