Buchcover: "Das Geschäft der Toten" von Alain Mabanckou

"Das Geschäft der Toten" von Alain Mabanckou

Stand: 28.08.2023, 07:00 Uhr

Der kongolesische Schriftsteller Alain Mabanckou lässt in dem Roman "Das Geschäft der Toten" die Verstorbenen aus ihren Gräbern steigen, um sich an korrupten Lebenden zu rächen. Eine Rezension von Dirk Fuhrig.

Alain Mabanckou: Das Geschäft der Toten
Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller.
Liebeskind Verlag, 2023.
272 Seiten, 22 Euro.

"Das Geschäft der Toten" von Alain Mabanckou

Lesestoff – neue Bücher 28.08.2023 05:43 Min. Verfügbar bis 27.08.2024 WDR Online Von Dirk Fuhrig


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Die eigene Trauerfeier besuchen

Alain Mabanckou kehrt mit diesem Buch erneut in seine Heimatstadt zurück: Pointe-Noire in der Republik Kongo. Dort, in dieser Hafenstadt am atlantischen Ozean, passiert Ungeheuerliches: Die Toten erheben sich aus den Gräbern – und schauen ihrer eigenen Trauerfeier zu:

"Von Weitem siehst du deinen Leichnam unter einem Unterstand aus Palmblättern liegen, umgeben von weinenden Frauen im fortgeschrittenen Alter. Der Anblick einer solchen Körperhaltung gefällt dir gar nicht, und du weigerst dich zu glauben, der Leichnam, an dem hier Totenwache gehalten wird, sei deiner, der von Liwa Ekimakingaï."

Liwa Ekimakingaï heißt der wiederauferstandene junge Held in diesem heiter-überdrehten, stellenweise bitterbösen und satirischen Roman, der alte Mythen und Geisterglauben in ein zeitgenössisches Setting packt.

Das Erbe der Kolonialzeit

Liwas Mutter war bei seiner Geburt gestorben. Daher wuchs er bei seiner lebenslustigen Großmutter Mâ Lembé auf, die nun alles an Geld und Nachbarschaft aufbietet, um ihren Enkel, der als Küchenhilfe im führenden Victory Palace-Hotel gearbeitet hat, angemessen auf dem Friedhof Frère-Lachaise bestatten zu können. Der Kirchhof heißt ganz ähnlich wie der berühmte Père-Lachaise in Paris. Denn das Erbe der Kolonialzeit ist noch präsent. Ein Pastor verkündet voller Groll:

"Diese Erde gehörte den Schwarzen, die anderen Rassen sind gekommen, um uns auszulöschen, weil wir schön, stark, tapfer und gastfreundlich waren. (…) Der Herr ist hier bei uns, mit uns! Die Weißen haben alles auf der Erde verdorben mit Kriegen, Sklaverei, Nazismus, Kolonialismus und seinen bizarren Auswüchsen!"

Fokus auf die eigene Macht

Doch letztlich hat Papa Bonheur – Papa Glück, wie der Gottesmann sich nennt –, weniger das Seelenheil der Gemeinde, als seine eigene Macht im Blick. So wie all die Präsidenten, Diktatoren, Geschäfts- und Dunkelmänner, die durch diesen Roman geistern. Dessen Handlung kulminiert um Feiern zum Nationalfeiertag 15. August, an dem an die Unabhängigkeit der Republik Kongo am 15.8.1960 erinnert wird.

Skurrile Begegnungen im Zwischenreich

Die Entkolonialisierung und feurige Reden gegen die einstigen Besatzer, so wie der Glücks-Pastor sie schwingt, sind jedoch nur ein äußerer Rahmen für die skurrilen Interaktionen, die sich zwischen Diesseits und Jenseits abspielen.

Bei seinen Streifzügen durch dieses Zwischenreich trifft Liwa auf einen berühmten Sänger, der vor seinem Tod die Massen begeisterte, weil er für seinen Erfolg den Geistern seine Seele verkaufen musste. Und auf einen schwulen Manager, der eine glänzende Karriere in Paris ausgeschlagen hat, um sein Heimatland mit wirtschaftlichem Know-How zu unterstützen; er wurde schnell ermordet, bevor er damit beginnen konnte, im Kongo etwas zu verändern. Und der einstige Friedhofswächter hat allerlei zu berichten über die mafiösen Verstrickungen in Pointe-Noire:

"Zwar ging die Herrschaft von der politischen Hauptstadt aus, aber Augustin Biampandou war das Auge des Präsidenten in der Wirtschaftsmetropole, deren Lunge der Seehafen war."

Dieser Ober-Pate Biampandou, der alle Fäden zieht, ist auch für den frühen Tod von Liwa verantwortlich. Der kleine Angestellte aus dem vornehmen Hotel Victory Palace  rächt sich – post-mortem – auf archaische Weise an dem skrupellosen Strippenzieher.

"Du trittst ans Bett, stellst dich an eine Bettseite, und während du einen letzten Blick zum Seehafen von Pointe-Noire wirfst, ergreifst du mit beiden Händen den Schaft des Speers, holst aus, reißt die Arme weiter über den Kopf hoch, beißt die Zähne zusammen und schließt kurz die Augen, bevor du die Waffe mitten in diese massige Form rammst."

Eine finstere Saga mit schalkhaftem Humor

"Das Geschäft der Toten" ist eine finstere Saga über skrupellose Gesellen, die das Land ausbeuten und sich schamlos bereichern. Aber auch eine Feier der volkstümlichen Riten und Traditionen. Tod und Trauer, Gewalt und Verbrechen. Dazu laszive Tänze in schummerigen Tavernen und lustvolles erotisches Treiben.

All das zeichnet Mabanckou in farbiger, mitunter an mündlicher Überlieferung orientierter, von vielen Dialogpassagen geprägten Sprache. Der Schriftsteller ist mit seinem schalkhaften Humor in diesem furiosen Kongo-Roman auf der Höhe seiner literarischen Kunst.