Hörbuchcover: "Peter Carmenzind" von Hermann Hesse

"Peter Camenzind" von Hermann Hesse

Stand: 14.12.2023, 12:00 Uhr

In seinem ersten Roman hat Hermann Hesse bereits seine großen Themen aufgerufen: ein Mensch auf der Suche nach seinem Ort in der Welt, nach Lebens-Sinn. Sprecher Johannes Steck interpretiert kraftvoll, kernig. Dabei schwingt immer ein leiser melancholischer Grundton mit. Eine Rezension von Christian Kosfeld.

Hermann Hesse: Peter Camenzind
Ungekürzt gelesen von Johannes Steck.
Audiobuch, 2023.
Download, 6 Std. und 12 Min. Laufzeit, 10 Euro.

"Peter Camenzind" von Hermann Hesse

Lesestoff – neue Bücher 14.12.2023 05:48 Min. Verfügbar bis 13.12.2024 WDR Online Von Christian Kosfeld


Download

Der Hirtenjunge Peter Camenzind wächst in den Schweizer Bergen in dem kleinen Dörfchen Nimikon auf. Er liebt es, die Natur zu betrachten, Berge, Tiere, Seen und die Sonne, vor allem aber die Wolken am Himmel.

"O, die Wolken, die schönen, schwebenden, rastlosen! Ich war ein unwissendes Kind und liebte sie, schaute sie an und wusste nicht, daß auch ich als eine Wolke durch’s Leben gehen würde — wandernd, überall fremd, schwebend zwischen Zeit und Ewigkeit. [...] Ich kann nicht über die Gasse gehen, so nicken wir einander zu, grüßen uns und verweilen einen Augenblick Aug’ in Auge."

Peter beginnt zu schreiben, ein Pater entdeckt seine Begabung und er darf auf ein Gymnasium gehen. Der melancholische junge Mann nimmt ein Studium in Zürich auf, schreibt Feuilletons und kleine Geschichten, freundet sich mit dem Pianisten Richard an. Sie reisen nach Italien, wandern, entdecken Kunst, Städte und die Landschaften.

"Wir erwanderten abseitige, heiß gelegene Hügeldörfer, befreundeten uns mit Gastwirten, Mönchen, Landmädchen und kleinen zufriedenen Dorfpfarrern, belauschten naive Ständchen, fütterten bräunliche, hübsche Kinder mit Brot und Obst und sahen von sonnigen Berghöhen Toskana im Glanz des Frühlings und fern das schimmernde ligurische Meer liegen. Und wir hatten beide das kräftige Gefühl, unseres Glückes würdig einem reichen, neuen Leben entgegen zu gehen."

Doch Richard stirbt, Peter wird zum Trinker, blickt verbittert auf die Welt, sieht nur sinnentleerte Moden und Konventionen der Gesellschaft. Camenzind trägt sich mit Selbstmordgedanken. Doch dann begegnet er der Malerin Elisabeth und erkennt in ihr eine Seelenverwandte.

"'Sie sind ein Dichter,' sagte das Mädchen. Ich schnitt eine Grimasse. 'Ich meine es anders,' fuhr sie fort. 'Nicht weil Sie Novellen und dergleichen schreiben. Sondern weil Sie die Natur verstehen und lieb haben. Was ist es anderen Leuten, wenn ein Baum rauscht oder ein Berg in der Sonne glüht? Aber für Sie ist ein Leben darin, das Sie mitleben können.' Ich antwortete, dass niemand 'die Natur verstehe' und daß man mit allem Suchen und Begreifenwollen nur Rätsel findet und traurig wird."

In seinem ersten, autobiografisch geprägten Roman hat Hermann Hesse bereits seine großen Themen aufgerufen: ein Mensch auf der Suche nach seinem Ort in der Welt, nach Lebens-Sinn, der auf Irrwege gerät, Enttäuschungen erlebt, zweifelt, und an allen diesen Erfahrungen wächst.

Man kann das naiv oder kitschig finden. Doch gerade in seinen frühen Werken zeigt sich Hermann Hesses Kunst, von menschlichen Grunderfahrungen in einer eindrücklichen, leicht und klar wirkenden Sprache zu erzählen.

Sprecher Johannes Steck verwandelt sich sechs Stunden lang in den Ich-Erzähler Peter Camenzind. Er interpretiert kraftvoll, fast kernig, gestaltet Natur-Szenen und Gespräche lebendig nach. Und doch schwingt auch immer ein leiser melancholischer Grundton mit. Besonders in den Schlusskapiteln, in denen Peter seinen schwerbehinderten Freund Boppi auf dem Weg in den Tod begleitet, schafft Steck eine intime, leise Atmosphäre. Beeindruckend.

"Und ich erzählte weiter, vom Tapir, vom Pudel, von meinem Vater, vom kleinen bösen Mattheo Spinelli, von Elisabeth. [...] Oft fing er plötzlich an vom Sterben zu sprechen. 'Es ist kein Spaß, Peter. Die allerschwerste Arbeit ist nicht so schwer wie Sterben. Aber man macht’s doch durch.' Und einmal, in den letzten Tagen, wachte er aus einem kurzen Schlummer auf und sagte ganz laut: 'Es gibt gar keinen solchen Himmel, wie der Pfarrer meint. Der Himmel ist viel schöner. Viel schöner.' 'Was meinst du,' fragte ich Boppi gelegentlich, 'wird im Himmel auch ein Tapir sein?' 'O ja,' sagte er und nickte noch dazu, 'es sind alle Arten Tiere dort.'"