Der Perfektionismus ist Pina Bausch in die Wiege gelegt. Das verrät sie 2007 in ihrer Dankesrede bei der Verleihung des Kyoto-Preises in Japan: Als Kind habe sie in einer Operette einen Liftboy spielen müssen, der einen schweren Koffer trägt. Aber der Koffer, den man ihr in die Hand gab, sei leer gewesen.
Das sei ihr merkwürdig vorgekommen, wird sich Bausch erinnern. "Also habe ich mir den Koffer voll gepackt, um zu wissen, wie man richtig einen schweren Koffer trägt. Mir war wichtig, dass es echt war und nicht nur so als ob."
Über New York nach Wuppertal
Geboren wird Philippine "Pina" Bausch 1940 als Gastwirtstochter in Solingen. Erfahrungen mit Hotelgästen finden später ebenso Eingang in ihre Stücke wie Kindheitserlebnisse während des Zweiten Weltkriegs.
Schon als Kind nimmt Bausch Ballettunterricht und ist Statist im Musiktheater. Mit 14 Jahren beginnt sie ein Studium beim innovativen Choreografen Kurt Jooss an der Essener Folkwangschule. Zwischen 1959 und 1962 wird sie an der renommierten Juilliard School in New York in Modern Dance ausgebildet. 1961 erhält sie ein Engagement an der dortigen Metropolitan Opera.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland geht Bausch als Solistin des "Folkwang-Balletts" immer wieder auf Welttournee. Bereits hier ist sie in die Entwicklung von Stücken eingebunden. 1969 wird sie Joosts Nachfolger, 1973 wird sie Leiterin der Ballettsparte an den Bühnen Wuppertal.
Antworten ertanzen
Mit dem Stück "Fritz" (1974) nach dem Märchen "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen" gibt Bausch in Wuppertal ihr Debüt. Kaum Musik kommt vor, in der Presse ist von einer "halbstündigen Ekligkeit" zu lesen. Das an klassisches Ballett gewöhnte Publikum verlässt Türen schlagend den Saal. An das neue Tanztheater muss sich Wuppertal erst noch gewöhnen. Bald aber ist Bausch nicht nur international, sondern auch vor Ort ein Star.
Mehr als 40 Stücke entwickelt Bausch gemeinsam mit ihren Tänzern. Zumeist stellt sie dem Ensemble kleine Fragen nach der Angst im Dunkeln oder der großen Liebe, deren Antworten das Team zu ertanzen habe.
Mit Stücken wie "Kontakthof" (1978), "Nelken" (1982), "Palermo, Palermo" (1989) oder "Vollmond" (2006) entsteht ihr unnachahmlich poetischer, zwischen Tanz, Pantomime, Installation und Slapstick hin und her pendelnder Stil, der das eigentliche Tanztheater mit begründet. Allein der Umstand, dass die Tänzer auf der Bühne sprechen dürfen, ist eine Sensation.
Bausch stirbt am 30. Juni 2009 in Wuppertal – fünf Tage, nachdem sie von ihrer Krebserkrankung erfahren hat.
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