"Little Boy" lautet der Codename der ersten Atombombe, die gegen Menschen eingesetzt wird. Ein amerikanischer "B-29"-Bomber trägt sie am 6. August 1945 nach Hiroshima, einer Stadt im Südwesten Japans. Noch ist der Zweite Weltkrieg in Ostasien nicht zu Ende.
Um 8.15 Uhr Ortszeit öffnet sich der Bombenschacht. Danach dreht die Maschine ab. An Bord ist Jacob Beser, der als Funktechniker für den Zeitpunkt der Explosion verantwortlich ist. "Es war eine Lehrbuchmission. Alles verlief nach Plan, das Timing war perfekt", sagt er später.
"Es war ihre Haut"
Am Boden sind die Folgen der "Lehrbuchmission" verheerend: Über 20.000 Menschen sterben sofort, fast 40.000 in den folgenden Wochen. Andere Schätzungen liegen weitaus höher. Noch Jahrzehnte später sterben weitere Zehntausende an atomarer Verstrahlung.
"Sie waren völlig verbrannt", sagt die Überlebende Keiko Ogura über andere Opfer kurz nach der Detonation. "Sie liefen mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern. Erst dachte ich, dass da ihre Kleidung in Fetzen herabhing. Aber es war ihre Haut."
Welche Moral?
Für Jacob Beser, der auch beim Abwurf der zweiten Atombombe auf Nagasaki am 9. August 1945 dabei ist, sind die Einsätze ein notwendiges Übel. Japan habe deshalb früher kapituliert. Es sei die finale Antwort auf Pearl Harbor gewesen.
"Sie sagen, dass eine Form der Bombardierung unmoralischer ist als eine andere - und ich sage: Quatsch", so Jacob Beser 1985. "Krieg ist seinem Wesen nach unmoralisch. Einen Krieg zu verlängern, indem Sie eine minderwertige Waffe einsetzen - das ist unmoralisch."
Kein Verständnis des Enkels
"Ich kann mit dieser Mentalität nichts anfangen, ich verstehe sie nicht", sagt der Filmemacher Ari Beser, der Enkel von Jacob Beser. "Aber ich versuche zu verstehen, wie diese Generation ihren Standpunkt rechtfertigt." In den USA gilt Jacob Beser manchen bis heute als Kriegsheld.
Aber es gibt noch die andere Seite der Familie Beser. "Mein anderer Großvater hatte eine Freundin, die Hiroshima überlebt hatte", sagt Ari Beser. "Ich habe sie als Kind kennengelernt."
Welt ohne Atomwaffen
2011 reist Ari Beser nach Japan, um mehr Menschen zu treffen, auf die sein Großvater Beser die Bombe abgeworfen hatte. Menschen wie Keiko Ogura. Sie war acht, als aus ihr eine Hibakusha wurde - so werden in Japan die Überlebenden der Atombombenabwürfe genannt.
Immer wieder reist Ari Beser nach Japan und trifft Hibakusha. "Wenn wir uns eine Welt ohne Krieg und ohne Atomwaffen vorstellen können, dann können wir es zusammen auch erreichen."
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. August 2020 ebenfalls an den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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