Wegen eines Gewitters muss der Test um zwei Stunden verschoben werden: Am 16. Juli 1945 wartet in der Wüste von New Mexico auf einem 30 Meter hohen Metallgerüst eine Stahlkugel auf ihren Einsatz. Es ist die erste Atombombe der Geschichte, gefüllt mit Plutonium. Sie hat den Codenamen "The Gadget" ("Technische Spielerei") und einen Durchmesser von zwei Metern. In den Bunkern rund um den Turm sitzen an diesem frühen Montagmorgen hunderte Wissenschaftler, Ingenieure und Militärs und warten auf den sogenannten "Trinity"-Test. Woher die Bezeichnung "Trinity" ("Dreifaltigkeit") stammt, ist unklar. Die bekannteste Version lautet, Robert Oppenheimer, der Leiter des Atomprojekts, habe sie vorgeschlagen - nach dem Anfang eines Sonetts seines Lieblingsdichters John Donne: "Zerschmetter mein Herz, dreifaltiger Gott".
Gegen 5.30 Uhr ist es schließlich soweit: Die Bombe wird gezündet. "Die gesamte Landschaft war erleuchtet von einem sengenden Licht, viele Male intensiver als die Mittagssonne", beschreibt ein Army-General die Explosion später. In ihrem Zentrum hat sie Temperaturen von mehreren Millionen Grad. Die Beobachter, die 20 Kilometer entfernt sind, spüren die Hitze auf ihrer Haut, lange bevor die Druck- und Schallwellen sie erreichen. Als am Horizont der Atompilz in die Stratosphäre steigt, ist die Stimmung trotz des erfolgreichen Tests nicht euphorisch: "Wir wussten, dass die Welt nicht mehr die gleiche sein würde", so Oppenheimer. "Einige lachten, andere weinten, die meisten waren still." Er habe sich an eine Zeile aus der Hindu-Schrift erinnert: "Ich bin der Tod, Zerstörer der Welten!" Oppenheimers Kollege Kenneth Bainbridge drückt es simpler aus: "Jetzt sind wir allesamt Hurensöhne."
Zwei unterschiedliche Bombentypen
Nur sechs Jahre zuvor, 1939, haben die Deutschen Otto Hahn und Lise Meitner entdeckt, dass Urankerne sich aufspalten, wenn sie mit Neutronen beschossen werden. Eine neue, nie gekannte Form der Energiegewinnung scheint möglich. Nobelpreisträger Albert Einstein warnt US-Präsident Franklin D. Roosevelt: "Dieses neue Phänomen wird auch zur Konstruktion von Bomben führen." In Japan, Italien, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion gibt es bereits entsprechende Initiativen. Auch die USA steigen ins Rennen um die erste Atombombe ein: 1942 wird das "Manhattan Project" gestartet. Leiter Oppenheimer soll zwei Atombomben bauen - mit unterschiedlichen Nuklear-Sprengstoffen: Plutonium und Uran. Konstruiert werden sie in Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico. Über 500.000 Menschen arbeiten zeitweise für das Zwei-Milliarden-Programm.
Die Begründung dafür verändert sich nach und nach: "Anfangs hatten die Amerikaner große Furcht, dass die Deutschen die Bombe bauen könnten", sagt Alex Wellerstein, Historiker am New Yorker Stevens Institute of Technology. Ab 1944 habe ihnen das angesichts des Kriegsverlaufs jedoch keine Sorgen mehr bereitet. "Die Verschiebung des Programms läuft sehr subtil von 'Wir bauen die Bombe aus Angst vor den Deutschen' zu 'Wir bauen die Bombe für den Einsatz gegen Japan'."
Fünf Mal stärker als gedacht
Von den beiden geplanten Bomben wird nur die Plutoniumversion getestet, die später in Nagasaki eingesetzt werden soll. Bei der Uranbombe wird auf eine Probe-Explosion verzichtet. "Sie wussten, dass die Bombe, die für Hiroshima bestimmt war, wohl funktionieren würde", sagt Historiker Wellerstein. Denn diese sei leichter zu konstruieren. Beim Trinity-Test hingegen hätten sich die Wissenschaftler auf völlig neuem Gebiet bewegt. "Sie dachten 'The Gadget' hätte etwa 4.000 Tonnen TNT Sprengkraft. Am Ende waren es 20.000."
Bei der Explosion verdampft nicht nur "The Gadget" und der Stahlturm, sondern auch alles in der direkten Umgebung. Der Wüstensand verschmilzt zu einer grünlichen, glasartigen Substanz. Sie wird "Trinitit" genannt, nach dem "Trinity"-Test. Innerhalb von Sekunden bläht sich der Feuerball auf mehrere hundert Meter Durchmesser. Während er wie ein Heißluftballon nach oben steigt, zieht er Staub mit sich. Das führt zum Atompilz-Effekt. Einige Wochen später erleben manche Einwohner von Hiroshima und Nagasaki den gleichen Anblick. Die anderen sind sofort tot.
Stand: 16.07.2015
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. Juli 2015 ebenfalls an die erste Atombomben-Explosion. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.