Im August 1945 werfen die Vereinigten Staaten über Hiroshima und Nagasaki die ersten Atombomben ab. Ihre Zerstörungskraft und der radioaktive Fallout machen offensichtlich, welcher nukleare Holocaust der Erde droht, sollte es zu einem atomar geführten Krieg kommen. 1954 testen die USA die erste Wasserstoffbombe mit einer noch tausend Mal stärkeren Vernichtungsenergie.
Kurz darauf veröffentlicht die US-Atomenergie-Kommission einen Bericht. "Darin erklärten sie, es gebe keinen Grund, sich über den radioaktiven Niederschlag der Bombe zu sorgen. Das machte mich sehr wütend", schreibt der Physiker Joseph Rotblat, der am Bau der ersten Atombombe beteiligt war.
Wissenschaftler übernehmen Verantwortung
Rotblat kontaktiert den britischen Philosophen und Mathematiker Bertrand Russell, eine Leitfigur des Pazifismus und der Abrüstung. Sie entfachen eine Diskussion darüber, wie man die Welt aufrütteln und Wissenschaftler dazu bringen könne, über die Folgen einer atomarer Bewaffnung nachzudenken.
Albert Einstein: Physikgenie, Sozialist und Pazifist
Auch Albert Einstein, der die theoretischen Grundlagen für die Entfesselung des Atoms geschaffen hat, ist tief besorgt: "Wir Wissenschaftler (...) tragen eine überwältigende Verantwortung in diesem weltweiten Kampf auf Leben und Tod, um das Atom zum Wohle der Menschheit zu nutzen und nicht zu ihrer Zerstörung."
Einsteins Vermächtnis
Als Einstein von Russell um die Beteiligung an einem internationalen Aufruf gebeten wird, zögert er nicht. Wenige Tage vor seinem Tod unterschreibt er das von Russell entworfene Manifest. Daraufhin gewinnt Russell zehn weitere Topwissenschaftler, meist Nobelpreisträger, und stellt am 9. Juli 1955 in London den gemeinsamen Aufruf vor.
Die Unterzeichner sprächen nicht als Vertreter dieser oder jener Nation, erklärt er: "Wir appellieren als Menschen an die Menschheit: Besinnt euch eurer Menschlichkeit und vergesst alles andere."
Die Pugwash-Konferenzen entstehen
Aus dem sogenannten Russell-Einstein-Manifest entstehen die Pugwash-Konferenzen, benannt nach einem kanadischen Küstenort. Seit 1957 treffen sich dort regelmäßig Wissenschaftler, Diplomaten und Politiker, um vertraulich über Fragen der atomaren Bedrohung und globalen Sicherheit zu diskutieren.
Ein zentraler Aspekt von Pugwash ist "quiet diplomacy", man trifft sich bewusst in aller Stille. Denn die Teilnehmer gehören oft Konfliktparteien an, die offiziell gar nicht zusammensitzen dürften. 1995 wird die Pugwash-Konferenz für ihren Beitrag zu Abrüstungsinitiativen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. Juli 2020 ebenfalls an das Russell-Einstein-Manifest. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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