Alfred Hugenberg (Bildmitte mit Melone), DNVP-Vorsitzender und Reichsminister, wartet mit anderen Wählern in einer Schlange vor einem Wahllokal

5. März 1933 - Letzte Reichstagswahl im Mehrparteiensystem

Seit Hitlers Machtantritt verfolgt die neue Regierung ihre politischen Gegner. Kurz darauf finden Reichstagswahlen statt, an denen letztmals andere Parteien neben der NSDAP teilnehmen dürfen.

Wann geht die Weimarer Republik unter? An welchem Punkt ist das Ende der Demokratie erreicht? Der 30. Januar 1933 gilt mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler als Beginn der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Auf dem weiteren Weg in die Diktatur ist die Reichstagswahl am 5. März 1933 ein wichtiges Datum.

Anfang Februar löst Reichspräsident Paul von Hindenburg, also der Mann, der Hitler ins Amt gehoben hat, das Parlament auf. Das Kalkül dahinter: Der Nazi-Führer - verbündet mit rechtskonservativen Eliten - will eine absolute Mehrheit im Parlament. Denn seine Partei hat bislang nicht mal ein Drittel der Sitze im Reichstag. Bei der vorangegangegen Wahl im November 1932 haben die Nationalsozialisten sogar 34 Mandate verloren.

Es soll die letzte Wahl im demokratischen System sein

An Hitlers Seite: Die Deutschnationalen mit dem einflussreichen Medienunternehmer Alfred Hugenberg an der Spitze. "All die Jahre hindurch haben wir Deutschnationale gegen den Parlaments- und Partei-Staat gekämpft. Wir wählen also am 5. März noch einmal." Ganz klar ist also für Hitler und seine Verbündeten: Es soll die letzte Wahl sein, an denen mehr als eine Partei teilnimmt.

Die letzte Reichstagswahl im Mehrparteiensystem (am 05.03.1933)

WDR ZeitZeichen 05.03.2023 15:01 Min. Verfügbar bis 05.03.2099 WDR 5


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Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg (l.) und Adolf Hitler nach dessen Ernennung zum Reichskanzler am 30.01.1933

Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg (l.) und Adolf Hitler

Die Nationalsozialisten setzen auf eine Mischung aus Propaganda und Terror. Hitler hetzt gegen das "System" und macht Demokraten für die Niederlage im Ersten Weltkrieg und für die Weltwirtschaftskrise verantwortlich. SA und SS sind jetzt offiziell "Hilfspolizei", 50.000 Mann stark. Kommunisten sind zu Staatsfeinden erklärt worden - per Notverordnung des Reichspräsidenten. Viele KPD-Aktivisten werden gefoltert und ermordet. "Es wird meine vornehmste Aufgabe sein, den Kommunismus auszurotten aus unserem Volke", sagt der Nationalsozialist Hermann Göring. Auch Sozialdemokraten sind Opfer des braunen Terrors.

Nach dem Reichstagsbrand kurz vor der Wahl wird die Verfolgung noch brutaler. Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden massiv eingeschränkt. In großer Zahl werden politische Gegner des Regimes verhaftet und inhaftiert. Von einem fairen Wahlkampf und freien Wahlen kann schon aus diesem Grund im Frühjahr 1933 nicht mehr die Rede sein.

Hitler verpasst absolute Mehrheit

Adolf Hitler Februar 1933 bei seiner ersten Rundfunkrede als Reichkanzler

Als Reichskanzler konnte Hitler den Rundfunk für seine Propaganda nutzen

In einer Atmosphäre aus Angst und Schrecken findet Anfang März die Reichstagswahl statt. Die Wahlbeteiligung liegt bei knapp 90 Prozent. Das Ergebnis: Die NSDAP kommt auf 43,9 Prozent, ein Plus von zehn Prozentpunkten, aber eben keine absolute Mehrheit. Vorläufig also braucht Hitler die Stimmen der Deutschnationalen unter Hugenberg, die gemeinsam mit anderen Rechtsaußen-Verbündeten als "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" 8 Prozent erreichen. Trotz wochenlangen Nazi-Terrors erreichen die Sozialdemokraten etwa 18 Prozent und die Kommunisten rund 12 Prozent der Stimmen.

Wenige Wochen später wird klar, dass es eine Mehrheit gegen die Demokratie im neugewählten Parlament gibt. Nur die SPD votiert gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz, das die Ausschaltung des Reichstags vorsieht. Die bürgerlichen Parteien unterstützen Hitler. Die KPD-Abgeordneten können wegen der Verfolgung durch das Regime nicht mehr an dieser Abstimmung teilnehmen. Bald werden alle demokratischen Parteien verboten - oder lösen sich auf. Die Weimarer Republik ist Geschichte. Bei den nächsten Fake-Reichstagswahlen 1936 und 1938 darf nur noch die NSDAP antreten.

Autor des Hörfunkbeitrags: Uwe Schulz
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. März 2023 an die letzte Reichstagswahl im Mehrparteiensystem. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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