Kruzifix, das Kreuz bleibt! Gut so?
Das Bundesverwaltungsgericht hat den bayerischen Kruzifix-Erlass bestätigt. Die gut sichtbaren Kreuze in Bayerns Behörden dürfen bleiben. Denn sie gefährden nicht die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates. Ein Anlass für uns, mit Ihnen über christliche Symbole zu sprechen – und über das Urteil. Reden Sie mit im WDR 5 Tagesgespräch!
Auf Initiative von CSU-Chef Markus Söder hat Bayern durch einen Erlass das Kreuz in allen Behörden sichtbar gemacht. Nicht als Möglichkeit, sondern als Pflicht. Und nicht versteckt, sondern gut sichtbar. Seit 2018. Umstritten, selbst in Kirchenkreisen, endete gestern der Klageweg in Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht betont das Gebot der Neutralität, sieht aber keine Verpflichtung, auf Bezüge zur Religion vollständig zu verzichten. Das Kreuz sei vor allem Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung des Landes. Laut Urteil verletzen die Kreuze nicht das Recht anderer Weltanschauungsgemeinschaften auf Religionsfreiheit und sie seien auch kein Verstoß gegen das grundrechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Glaubens.
Das stärkste christliche Symbol wird somit gestärkt in seiner öffentlichen Präsenz. Zugleich wird die religiöse Aufladung auch etwas entladen durch den Hinweis auf Geschichte und Kultur. Der damalige Erlass hatte schon so argumentiert und sich damit rechtssicher gemacht. Aber ist das auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung so? Oder hat das Kreuz noch eine andere Bedeutung? Was passiert, wenn wir das Kreuz wahrnehmen? Kann einem das Kreuz – als Gläubiger oder als Nicht-Gläubiger – auch egal sein? Können und wollen wir das Kreuz weltanschaulich und religiös 'neutral' wahrnehmen? Etwa so wie eine alte Kirche, an der wir die Fähigkeiten der damailgen Baumeister bewundern, das aber von der Religion trennen können.
Inzwischen ist weniger als die Hälfte der Bevölkerung Mitglied in einer der beiden großen christlichen Kirchen. Auch viele Nicht-Kirchenmitglieder fühlen sich aber christlichen Traditionen verbunden. Viele unserer Feiertage, Traditionen, Rituale und Symbole haben christlichen Ursprung und werden auch von Menschen gepflegt und genutzt, die selbst nicht Mitglied einer Kirche sind. Auf der anderen Seite gibt einen wachsenden Anteil in der Bevölkerung, deren Familien Regionen mit nicht-christlichen Wurzeln entstammen.
Zwar schreibt das Grundgesetz in Artikel 140 unter anderem vor, dass es keine Staatsreligion gibt und die Religionsfreiheit geschützt wird. Gleichzeitig gibt es viele Kooperationen zwischen Staat und Kirchen. Dazu zählt auch, dass die beiden großen christlichen Kirchen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die von ihren Mitgliedern Steuern erheben dürfen, die die Finanzämter eintreiben.
Was halten Sie von dem Urteil des Bundesverfassungsgericht? Ist das Kreuz für Sie vor allem kulturelles oder religiöses Symbol? Sollte die Trennung von Kirche und Staat strikter sein? Sollten alle religiösen Symbole aus öffentlichen Gebäuden ganz verschwinden? Oder vielleicht einfach Symbole anderer Religionen auch stärker im öffentlichen Raum sichtbar sein? Wie wichtig sind Ihnen selbst christliche religiöse Symbole und Traditionen? Sind die gerade in bewegten Zeiten wie unseren wichtig? Oder bedeuten Sie Ihnen wenig oder nichts? Welche christlichen Symbole bedeuten Ihnen etwas – auch wenn Sie selbst nicht einer Religionsgemeinschaft angehören? Wie blicken Sie als Nicht-Christin oder Nicht-Christ auf den Umgang mit christlichen Ritualen, Traditionen und Symbolen in unserer Gesellschaft?
Rufen Sie uns während der Sendung an (WDR 5 Hotline 0800 5678 555).
Gast: Prof. Dr. Detlef Pollack, Religionssoziologe, Uni Münster
Redaktion: Willi Schlichting und Julia Lührs