dm-Drogeriekette vor Gericht: Ist "klimaneutral" ein Etikettenschwindel?

Stand: 24.05.2023, 12:16 Uhr

Die Deutsche Umwelthilfe hat die Drogeriekette dm wegen ihrer Werbung für "klimaneutrale" Produkte verklagt. Am Mittwoch startet der Prozess in Karlsruhe. Was steckt dahinter?

Von Andreas Poulakos

Zahlreiche Unternehmen werben damit, dass ihre Produkte "klimaneutral" sind. Das Versprechen: Die Produktion trägt nicht dazu bei, dass noch mehr klimaschädliche Stoffe wie Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden. Umweltschützer sehen solche Label kritisch. Ab Mittwoch will die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor dem Landgericht Karlsruhe erreichen, dass die Drogeriekette dm ihre Werbung mit angeblich "klimaneutralen" Produkten einstellt.

Was genau kritisieren die Umweltschützer? Wie funktionieren Klima-Label? Gibt es bessere Lösungen? Fragen und Antworten.

Deutsche Umwelthilfe verklagt dm: Klimaneutral?

WDR 5 Morgenecho - Interview 24.05.2023 04:27 Min. Verfügbar bis 23.05.2024 WDR 5


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Worum geht es bei dem Gerichtsverfahren in Karlsruhe?

Mehrere deutsche Handelsketten haben Produkte im Sortiment, die mit dem Label "klimaneutral" versehen sind. So weisen sie darauf hin, dass die Produktion jener Produkte die Umwelt nicht oder zumindest nicht erheblich belastet. Konkret heißt das in den meisten Fällen, dass CO2-Emissionen, die bei der Herstellung des Produkts anfallen, durch das Unternehmen wieder ausgeglichen werden. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sieht darin eher eine Form der "Verbrauchertäuschung": "Oftmals ist es eher ein CO2-Ablasshandel, mit dem sich Unternehmen grün waschen."

Bereits im vergangenen Jahr hat die DUH deshalb Unterlassungsklage gegen mehrere deutsche Unternehmen eingereicht, darunter auch die Drogeriekette dm. Exemplarisch gehen die Umweltschützer gegen das Klima-Label von Flüssigseifen, Sonnencremes und Duschgels aus dem dm-Eigensortiment vor. Ein Urteil wird das Landgericht Karlsruhe am Mittwoch voraussichtlich noch nicht fällen.

Die DUH hat auch gegen weitere Unternehmen wegen Werbung mit Klimaneutralität juristische Schritte eingeleitet, unter anderem gegen Danone, Netto und die Lufthansa-Tochter Eurowings. Im Fall des dm-Konkurrenten Rossmann können die Umweltschützer bereits einen ersten Erfolg vermelden. Die Drogeriekette kündigte an, vorerst nicht mehr mit dem Label "klimaneutral" für ihre Produkte zu werben.

Umwelthilfe klagt gegen dm: Greenwashing bei Unternehmen?

WDR 5 Mittagsecho 24.05.2023 11:36 Min. Verfügbar bis 23.05.2024 WDR 5


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Wer hat dm das Klima-Label überhaupt verliehen?

Die Drogeriekette arbeitet in diesen Fragen mit dem deutschen Unternehmen Climatepartner zusammen. Um ein Label zu erhalten, informiert der Auftraggeber das Unternehmen, wie viel CO2 die Produktion bestimmter Produkte erzeugt. Dann errechnet Climatepartner, wie genau die Emissionen zum Beispiel durch Neuanpflanzung von Bäumen wieder ausgeglichen werden können. Im Fall dm fließt zum Beispiel ein Teil des Verkaufspreises der als "klimaneutral" ausgezeichneten Produkte in Waldschutzprojekte in Brasilien oder Peru.

Was genau kritisiert die DUH?

Die Umweltorganisation hat nach eigenen Angaben mehrere Waldschutz- und Aufforstungsprojekte im globalen Süden geprüft und festgestellt, dass der Handel mit CO2-Zertifikaten in den seltensten Fällen den Programmen vor Ort zugutekommt. Die Waldprojekte selbst eigneten sich zudem nicht für eine wirksame CO2-Kompensation, weil die langfristige Kohlenstoffbindung über Jahrhunderte nicht garantiert werden könne. Kurz: In wenigen Jahrzehnten könnten die neuen Bäume bereits durch Dürren oder Rodung wieder verschwunden sein. Außerdem seien die Berechnungen, wie viel CO2 ein bestimmtes Projekt genau kompensiert, oft absurd überhöht.

Insgesamt greife es auch zu kurz, nur die CO2-Emissionen auszugleichen, die bei der Produktion anfallen, sagt Wissenschaftsjournalist Michael Stang aus dem WDR-Quarks-Team. Auch die Beschaffung, der Transport, Gebrauch und die Entsorgung der Produkte verursachen Emissionen, die unter Umständen höher liegen können als die reine Produktion.

Schließlich prüfe Climatepartner nicht nach, ob die Angaben ihrer Kunden zu CO2-Emissionen wirklich der Wahrheit entsprechen, so ein weiterer Vorwurf. Bei Climatepartner ist die Kritik offenbar angekommen. Das Unternehmen hat inzwischen angekündigt, mittelfristig das Label "klimaneutral" nicht mehr zu vergeben und bei anderen Umwelt-Etiketten schärfere Kontrollen einzuführen.

Wie ginge es besser?

Womöglich ist der globale CO2-Emissionshandel, auf dem so gut wie alle Klima-Label beruhen, der völlig falsche Weg. Was hingegen sicher helfen könnte, wäre ein neues Konsumverhalten. Vor jedem Kauf sollten sich Kunden genau überlegen, ob sie das Produkt wirklich brauchen. Falls ja, raten Klimaschützer dazu, einige Informationen über den Hersteller einzuholen. Wie sehen die Produktionsabläufe aus? Welche Zulieferer hat das Unternehmen? Schließlich sollten Kunden das Produkt selbst einer kritischen Betrachtung unterziehen: Hat es eine übermäßig aufwändige Verpackung, womöglich aus Plastik? Dann lieber: Finger weg.

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die story 18.09.2019 43:29 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 WDR Von Jörg Laaks, Mareike Wilms

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