Welt-Alzheimertag: Wenn der Mann Alzheimer bekommt

Lokalzeit OWL 21.09.2023 Verfügbar bis 21.09.2025 WDR Von Christina Joswig

Wenn der Mann dement wird

Stand: 21.09.2023, 18:20 Uhr

Birgit Reese aus Lügde pflegt ihren dementen Mann. Er war erst 57 Jahre alt, als er die Diagnose Alzheimer-Demenz bekommen hat. Seitdem hat sich für beide alles verändert.

Von Christina Joswig

Erst die Butter, dann die Marmelade aufs Brötchen – es ist ein Handgriff, den Michael Reese Jahrzehnte lang gemacht hat, ohne darüber nachzudenken. Seitdem er Demenz hat, fallen ihm Abläufe nicht mehr ein. Seine Hände zittern und alles dauert länger. Für seine Frau Birgit ist das nur schwer mit anzusehen. Sie musste lernen, Geduld zu haben.

"Ich habe momentan wirklich viel Herzschmerzen, wenn ich sehe, dass er die falsche Tür nimmt, den falschen Lichtschalter nimmt, mit dem Lichtschalter den Staubsauger anmachen will." Birgit Reese

"Wir haben viel gesucht"

Ein Mann schmiert Marmelade und Margarine auf ein Brötchen.

Oft verwechselt Michael, ob die Marmelade oder die Butter zuerst kommt.

Birgit ist 50, ihr Mann 60 Jahre alt. Als sich vor etwa vier Jahren die ersten Anzeichen der Demenz bemerkbar gemacht haben, standen sie mitten im Leben. "Aufgefallen ist, dass wir viel gesucht haben. Er ist mit dem Auto losgefahren, wollte bei seinem Vater etwas reparieren, hatte kein Werkzeug dabei, zehn Minuten später war er wieder da."

Wenn Birgit und Michael frühstücken, ist es leise. Radio, Gespräche, laute Geräusche - all das macht Michael nervös. Daran hat Birgit sich inzwischen gewöhnt und passt sich an. Sie hilft ihm, wo sie kann.

Birgit übernimmt die Pflege

Ihr Wunsch und festes Ziel ist, dass ihr Mann so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung leben kann. Auch wenn das bedeutet, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellt.

Früher haben die beiden gerne Bogenschießen gemacht. Wenn Birgit jetzt sieht, dass Michael den Pfeil falsch herum einsetzt, blutet ihr Herz. Trotzdem möchte Birgit, dass Michael aktiv bleibt. Sie hat ihm therapeutisches Bogenschießen organisiert und bestärkt ihn, neue Hobbys auszuprobieren.

Michael hat sich früh geoutet

Michael hat früher in einer Spielbank gearbeitet und hatte dort viel Kundenkontakt. Anderthalb Jahre lang konnte er noch arbeiten. Aber nur, weil er sich vor seinen Kollegen geoutet hat und alle Rücksicht auf ihn genommen haben.

Ein Mann und eine Frau sitzen am Frühstückstisch.

"Es kannten mich ja alle und die hätten sich gefragt, was mit mir los ist. Dann habe ich es gesagt und hatte Ruhe." Wenn Michael darüber spricht, ist seine Stimme brüchig. Noch bekommt er mit, was mit ihm passiert und wird oft traurig.

Inzwischen ist Michael in Frührente und geht zwei Mal die Woche zur Tagespflege. Für Birgit bedeutet das alles eine Menge Papierkram. Sie muss entscheiden, welche Hilfen sie beantragen wollen und sich mit Anträgen und Behörden befassen.

"In meinem Mann steckt nicht mehr mein Mann"

Noch erleben die beiden viele schöne Momente zusammen. Wenn Birgit darauf achtet, dass sich gewohnte Abläufe nicht ändern, ist sogar ihr gemeinsamer Türkeiurlaub oder der in Bayern möglich. Sie fahren seit Jahren in dieselben Orte und Unterkünfte. Die Gastgeber kennen die beiden und nehmen Rücksicht auf Michael.

Trotzdem trauert Birgit um die gemeinsamen Pläne, die sie für die Rente hatten. Sie wollten reisen und neue Hobbys ausprobieren.

"Michael ist zwar da, aber er ist nicht mehr er selbst. Er verändert sich. Also in meinem Mann steckt nicht mehr mein Mann." Birgit Reese

Am 21. September ist Welt-Alzheimertag. Laut Landesverband der Alzheimer Gesellschaften NRW sind im Land 350.000 Menschen an Demenz erkrankt.