Diagnose Demenz: Wie Karin Alex pflegenden Angehörigen hilft
Stand: 05.07.2023, 09:37 Uhr
Karin Alex erlebte selbst, wie einsam es machen kann, jemanden zu pflegen. Heute setzt sie sich für andere in derselben Situation ein. Am Telefon, bei einem Spaziergang oder einem Stück Kuchen.
Von Julia Schlöpker
Die Uhr tickt im Takt, doch ihre Welt steht still. Ein Gefühl der Leere nagt an ihr. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Früher hatte sie kaum Zeit - für Freunde, für Entspannung. Jetzt ist sie da: die Zeit, aber auch die Einsamkeit.
So erging es Karin Alex aus Herford vor 30 Jahren, nachdem sie ihre demenzkranke Schwiegermutter gepflegt hatte. "Ich war zwar nicht allein, aber einsam. Das kann jeden treffen und ist keine Frage des Alters", sagt sie.
Als Karin Alex begann, sich intensiv mit Demenz und den Folgen zu befassen, begegneten ihr ähnliche Schicksale, ähnliche Muster. Muster einer tückischen Krankheit, die Betroffene und ihre Familien oft an Grenzen, oft in die Isolation treibt. Die Psychologin gründete die erste Alzheimer-Selbsthilfegruppe in Ostwestfalen-Lippe, arbeitete in der Telefonseelsorge und als Familientherapeutin.
Viele schämen sich, einsam zu sein
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Hilfe für pflegende Angehörige
"Ich will helfen, für andere da sein", sagt sie. Angehörigen Unterstützung geben, die jemandem beistehen, der nach und nach sein Gedächtnis, seine Orientierung und sich selbst verliert. Manchmal schleichend, manchmal schnell.
So wie Gerhard Sauerwald. Seine Frau Hannelore pflegte ihn. Allein, sechs Jahre lang. "Ich war rund um die Uhr für ihn da, konnte ihn nie alleine lassen", sagt sie. Als die heute 83-Jährige selbst einmal ins Krankenhaus musste, half ihr Karin Alex. Organisierte eine Betreuerin für den demenzkranken Mann.
Hannelore Sauerwald (m.) mit ihrem Mann Gerhard (l.) und Familie
Gruppengespräche sind Lichtblicke im Alltag
"Ich bin ihr unendlich dankbar für alles", sagt Sauerwald. Als ihr Mann krank wurde, litt sie an ihrer Einsamkeit, an fehlendem Antrieb. Durch die Psychologin fand sie Anschluss zu anderen pflegenden Angehörigen. Ihr Lichtblick jeder Woche.
Gespräche unter Gleichgesinnten und die Tipps zum Umgang mit der Krankheit taten ihr gut. "Einen Demenzkranke drängen, bringt oft gar nichts", weiß sie inzwischen. "Wenn mein Mann zum Beispiel nicht ins Bad gehen wollte, habe ich statdessen einfach gesagt: Das Bad ist jetzt frei. Und das hat geklappt", sagt Sauerwald.
Wie Hannelore Sauerwald in schwierigen Zeiten Halt fand
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Die Gruppe für pflegende Angehörige in Herford ist nur eine der vielen Initiativen, um Menschen, die sich im Abseits fühlen, wieder in die Mitte zu holen. Die Treffen, die Gespräche, die Vermittlungen - all das macht Karin Alex ehrenamtlich.
Zeitschenker gesucht
Ihr neuestes Projekt heißt "Zeitschenker". Damit Einsame gleich welchen Alters mit jemandem reden können. Am Telefon, bei einem Spaziergang oder bei einem Stück Kuchen.
Zeitschenker könen auch über Körperkontakt Trost spenden
Alex sucht im Kreis Herford nach Frauen und Männern, die vor allem eines mitbringen: Zeit. Sechs Zeitschenker gibt es schon. In einer 25-stündigen Weiterbildung werden sie auf das Ehrenamt vorbereitet. "Immer, wenn man etwas gibt, bekommt man etwas zurück. Immer. Und wenn es ein Lächeln ist. Es gibt nichts Schöneres", sagt Alex.
Über das Thema haben wir am 19.05.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.