Tiere in Schlachthof qualvoll getötet? Teilgeständnis zum Prozessstart
Stand: 01.09.2023, 17:56 Uhr
Ein Schlachthof-Chef und seine Mitarbeiter sollen fast 200 Rinder und Schafe ohne Betäubung getötet haben. In Deutschland ist das verboten. Heute ist der Prozess gestartet, den Angeklagten drohen mehrere Jahre Haft.
Der Schlachthof Prott in Selm früh morgens: Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Rind von einer Seilwinde an die Decke gezogen wird, dabei strampelt es und ist bei vollem Bewusstsein. Anschließend wird es getötet.
Tierquälerei gefilmt
Das Video ist vor mehr als zwei Jahren von der Tierschutzorganisation "SOKO Tierschutz" veröffentlicht worden. Auf den Videos haben die Tierschützer fast 200 Tötungen ohne Betäubung gezählt, bei ingesamt 45 Rindern und 143 Schafen.
Schächten, also das Töten von Tieren ohne vorherige Betäubung, ist in Deutschland illegal. Über drei Wochen haben die Tierschützer den Schlachthof beobachtet, in dieser Zeit soll kaum ein Tier vor der Tötung betäubt worden sein.
Prozessauftakt am Freitag
Seit Freitag müssen sich drei Angestellte des Schlachtshofs vor dem Amtsgericht Lünen verantworten, ein 54-jähriger Mann und seine beiden Söhne.
Dem Gerichtsdirektor des Amtsgerichts Lünen, Niklas Nowatius, zufolge hat der Vater zum Prozess-Auftakt gestanden, den Tieren in den Hals geschnitten zu haben. "Daraufhin seien sie ausgeblutet. Seine Söhne haben zugegeben, dass sie in einigen Fällen geholfen haben, indem sie die Tiere festgehalten hätten", heißt es.
Vor dem Halskehlenschnitt habe er die Tiere nicht betäubt. Erst im Nachinein dann habe er den Bolzenschuss angesetzt, um eine reguläre Schlachtung vorzutäuschen, sagte der Angeklagte aus. In Deutschland ist eine Betäubung vor der Schlachtung vorgeschrieben.
Bis zu drei Jahre Gefängnis
Der Chef des Betriebs war zum Prozessauftakt am Freitag nicht dabei, er ist verhandlungsunfähig. Seinen Mitarbeitern drohen bis zu drei Jahren Haft, sollten sie verurteilt werden.
In den kommenden Wochen sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Mitte September soll das Urteil fallen.
Skandal zieht große Kreise
Die Tierschützer hatten nach dem Bekanntwerden des Skandals auch schwere Vorwürfe gegen den Kreis Unna erhoben - er habe nicht genau genug hingeschaut, denn schließlich hätten die Tötungen in einigen Fällen bis in den späten Vormittag gedauert.
Also eine Zeit, in der die Kontrolleure des Kreises schon unterwegs sind. Der Landkreis verweist dagegen auf die dokumentierten Zeiten, viele der Tötungen hätten morgens gegen 4 Uhr begonnen.
Kreis reagiert
Der Kreis hatte schon länger einen Verdacht gegen den Schlachhof. Allerdings hätten Kontrollen den Verdacht nicht erhärtet, sagte Kreissprecher Volker Meier damals. Erst durch die vor zwei Jahren veröffentlichten Videos gibt es Beweise.
Landrat Mario Löhr versprach nach dem Skandal, dass der Kreis bei der Aufklärung helfen werde. Es werde auch intern geprüft, ob der Kreis selber Fehler gemacht habe.
Verbraucherschutzministerium will lückenlose Videoüberwachung
Im WDR-Interview hat die damalige NRW-Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser eine lückenlose Videoüberwachung von Schlachthöfen gefordert. Der Bundestag befasst sich auch mit dem Thema, bisher gibt es dazu aber kein Gesetz. Es gibt Bedenken wegen des Datenschutzes.
Friedrich Mülln von der Organisation "SOKO Tierschutz" ist ebenfalls für eine strengere Überwachung, ohne dass sich etwas am System ändere, würde es immer wieder solche Skandale geben.
Über dieses Thema berichten wir in der Lokalzeit Ruhrgebiet auf WDR2 und in der Lokalzeit Dortmund im WDR-Fernsehen.