Pfarrer prangert Wohnsituationen von Fleischarbeitern an

Lokalzeit Münsterland 14.11.2023 02:39 Min. Verfügbar bis 14.11.2025 WDR Von Heike Zafar

Priester aus Lengerich kämpft für Fleischarbeiter

Stand: 14.11.2023, 17:30 Uhr

Der katholische Pfarrer Peter Kossen und seine Mitstreiter haben am Dienstag in Lengerich gegen "ausbeuterische Zustände" protestiert. Die Wohnungen für die Fleischarbeiter seien mit Menschen vollgestopft und viel zu teuer.

Von Detlef Proges

Peter Kossen steht mit einigen Mitstreitern vor einem Wohnblock in Lengerich. Ein Haus, in dem viele Fleischarbeiter wohnen. Der katholische Pfarrer kämpft seit Jahren für ihre Rechte.

Peter Kossen im Gespräch mit dem Hausbesitzer

Peter Kossen spricht mit dem Hausbesitzer

"Es ist nicht nur ein Problem in Lengerich, es ist ein landesweites Problem", empört sich Peter Kossen. Der 55-Jährige steht mit Helfern aus seinem Verein "Aktion Würde und Gerechtigkeit" vor einem siebenstöckigen Wohnblock in der Stadt im Kreis Steinfurt. In dem rot geklinkerten Haus leben fast ausschließlich Menschen aus Osteuropa, die für große Fleischkonzerne arbeiten.

Angst und mangelnde Sprachkenntnisse

"Die Menschen schlachten und zerlegen viele Stunden am Tag Tiere und oft bekommen sie noch nicht mal den vollen Lohn dafür", berichtet Pfarrer Kossen, der sich seit über zehn Jahren für diese Menschen einsetzt. Deshalb verteilt er am Dienstag vor dem Hochhaus Flyer mit Informationen auch auf Rumänisch, Bulgarisch und Polnisch. Zusammen mit dem Verein "Faire Mobilität" aus Dortmund, der sich ebenfalls für Arbeitsmigranten in der Fleischbranche stark macht. "Die Menschen sprechen meist kein Deutsch, sie können sich gar nicht über ihre Rechte informieren und die Fleischfirmen helfen ihnen nicht unbedingt dabei", so die Erfahrung von Peter Kossen. Für Deutschkurse hätten sie auch neben ihrer Arbeit kaum Zeit. Außerdem hätten viele Angst vor Gericht zu ziehen, um etwa ihren Lohn einzuklagen, weil sie befürchten, dann ihre Arbeit zu verlieren.

"Die Empörung und der Zorn treiben mich an!" Pfarrer Peter Kossen

Hausbesitzer bestreitet Vorwürfe

Plötzlich erscheint der Hausbesitzer in der Straße. Er sei angerufen worden, weil Reporter und Kameras Pfarrer Kossen begleiten. "Was wird hier gedreht?", will er wissen. Dann erzählt der Hausbesitzer bereitwillig, er würde den Wohnblock an ein Subunternehmen eines großen Fleischkonzerns vermieten. Hier im Haus sei aber alles in Ordnung, das würde er auch immer wieder kontrollieren. Jeder Bewohner hätte sein eigenes Zimmer. Dass mehrere Menschen in einem Raum schlafen würden, das gebe es hier nicht. Wieviel er für die Wohnungen insgesamt an Miete bekommt von dem Subunternehmen, will er nicht verraten.

Später kommt ein rumänischer Fleischarbeiter zu den Hilfsvereinen vors Haus. Der Mann ist bereit, seine Wohnung zu zeigen. Und er berichtet ganz andere Dinge. Der Fleischarbeiter zeigt den Reportern und Hilfsvereinen seinen Schlafraum. Darin stehen drei Betten. "Hier schlafen drei Männer in einem Raum und nebenan drei Frauen in zwei weiteren Zimmern. Wir zahlen jeder 400 Euro." Das übersetzt eine Dolmetscherin der Hilfsvereine. Damit widerspricht der Fleischarbeiter klar dem Hausbesitzer. Er erzählt weiter, die Fleischarbeiterinnen und Fleischarbeiter müssten neben den 400 Euro Monatsmiete auch den Transport von Lengerich zu ihren Arbeitsplätzen, zum Beispiel in Münster, bezahlen. Wieviel das genau sei, könne er nicht sagen. Er verdiene im Monat 1.400 Euro.

"Das ist Mietwucher!"

Das Wohnhaus der Mitarbeiter in Lengerich

"400 Euro für einen Schlafplatz"

"400 Euro für einen Schlafplatz in einem Zimmer mit drei Personen: Das ist eindeutig Mietwucher!", empört sich Pfarrer Peter Kossen. Der 55-Jährige spricht seit Jahren klare Worte. Was mit den Fleischarbeitern geschehe, sei "Ausbeutung, kriminell und moderne Sklaverei." Bislang habe ihn keiner der großen Konzerne dafür rechtlich belangt.

Peter Kossen will weiter kämpfen

Am Dienstag geht es in der Heimatstadt von Pfarrer Kossen vor allem um die Wohnungssituation der Fleischarbeiter und -arbeiterinnen. Die Menschen würden mit völlig fremden Mitbewohnern in eine Wohnung gesteckt. Nicht nur hier im Kreis Steinfurt. Niemand könne sich aussuchen, mit wem er dort auf engstem Raum leben müsse, kritisiert Peter Kossen. Das würde auch Probleme wie Streitigkeiten und starken Alkoholkonsum hervorbringen.

Der Priester aus Lengerich ist nach Jahren des Kampfes auch desillusioniert: "Die Zustände in der Fleischindustrie haben sich ganz bestimmt nicht verbessert." Zwar sei jetzt in einigen Jobs Leiharbeit verboten und es müsse der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden, aber das würden sich die Fleischfirmen wieder reinholen über Mieten und andere Abzüge vom Lohn. Pfarrer Kossen will trotzdem weiterkämpfen. So schnell lässt sich der Lengericher in seinem Kampf David gegen Goliath - Pfarrer gegen Fleischbranche - nicht unterkriegen.

Über dieses Thema berichten wir am 14.11. auch in der Lokalzeit Münsterland im WDR-Fernsehen.