"Paul U. ist zwar eine schillernde Persönlichkeit, aber von einer krankhaften Störung weit entfernt", urteilte der psychiatrische Sachverständige beim Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart – und übte gleichzeitig deutliche Kritik an Kliniken und Gutachter-Kollegen: U. habe in seinem Leben viel zu lange hinter Gittern gesessen.
Paul U. Schlüsselfigur des Prozesses
U. ist die Schlüsselfigur im Prozess. Auf seinen Aussagen beruht die Anklage. Zwölf Männern – davon drei aus NRW - wird vorgeworfen, eine terroristische Gruppe gegründet zu haben.
21 Jahre hinter Gittern – wegen falscher Gutachten
U. hat eine außergewöhnliche Lebensgeschichte hinter sich. Nach verkorkster Kindheit und Jugend begann eine lange kriminelle Karriere, nach zwei Geiselnahmen wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt. Aber: ein Gutachten stufte ihn als psychisch krank ein, weshalb er insgesamt 21 Jahre hinter Gittern saß, unter anderem in Dortmund, Eickelborn und zuletzt in Stemwede, in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter.
Kritik an Gutachtern und Kliniken
Erst 2016 stellte ein Gutachten fest, U. sei nie krank und gefährlich gewesen – viel zu spät, wie der aktuelle Sachverständige jetzt betonte: "Niemand hat die Eingangs-Diagnose in Frage gestellt." Offenbar sei in Kliniken und auch bei weiteren Gutachten nicht beachtet worden, dass sich U. über die Jahre positiv entwickelt habe. 2018 kam er frei. Ein Jahr später diente er sich den Behörden als Hinweisgeber für die so genannte Gruppe S. an – und brachte den Mammut-Prozess damit in Gang.