Schülerinnen und Schüler stehen vor der Schule und streiken

Protest gegen AWO-Schließungen wird lauter

Stand: 25.08.2022, 15:06 Uhr

An den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt in Ostwestfalen-Lippe wächst die Kritik gegen mögliche Schließungen von Angeboten. Vor allem am Berufskolleg für Gesundheits- und Sozialwesen in Bielefeld sind Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte empört und wollen die Schule erhalten.

Von Uwe Pollmann

"Die Stimmung ist hoch motiviert und kämpferisch“, sagt Lucie Teichmann, die am AWO-Berufskolleg ihre Erzieherinnen-Ausbildung macht. "Wir wollen jetzt alles versuchen, um unsere Schule offen zu halten." Einen Tag nach Bekanntwerden der möglichen Schließung sind alle 480 Schülerinnen und Schüler gekommen, um Aktionen zu planen. Seit dem frühen Morgen sitzen sie in Gruppen zusammen, malen Plakate, schreiben Briefe an Politiker und Unternehmen, planen Demonstrationen. Auch eine Online-Petition wurde gestartet.

"Wir wollen das fehlende Geld für die Schule beschaffen", ergänzt auch Marcel Kidlitz, der eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger macht. "Mich betrifft das enorm. Denn ohne die Schule kann ich vielleicht das dritte Ausbildungsjahr nicht absolvieren." Allerdings müssen zum Erhalt nach Schätzungen der AWO wohl mehrere hunderttausend Euro her.

Schüler schockiert: Schließung, aber Fachkräftemangel

"Wir haben doch akuten Fachkräftemangel überall“, empört sich Keno Isermann, der ebenso Heilerziehungspfleger werden will. "Wer soll denn die Menschen mit Behinderungen oder die Kinder im Kita-Alter in Zukunft betreuen? Die Schließung verschlimmert doch die Lage. Das frustriert richtig.“

Das Berufskolleg an der Detmolder Straße in Bielefeld ist eines von zwei der AWO in OWL. Das zweite, in Herford, mit 220 Schülern, soll bleiben dürfen. Dort sollen zum Ende des gerade begonnen Schuljahres die Ausbildungen gebündelt werden. Doch nur ein kleiner Teil der Auszubildenden und Lehrkräfte aus Bielefeld kann dort unterkommen. Die Ausbilder unterstützen deshalb die Aktionen der Schüler und Schülerinnen sehr.

Auch andere Einrichtungen in OWL betroffen

"Auch der Vorstand der AWO steht hinter den Vorhaben“, macht Sprecherin Beatriz Garcia deutlich. Es gebe laufend Gespräche zwischen allen. "Das alles ist ja sehr schmerzhaft für uns. Immerhin bilden wir hier 15 Prozent der Erziehungsfachkräfte in OWL aus.“ Und ein Großteil bleibe gar nicht in den AWO-Einrichtungen.

Doch dem Wohlfahrtsverband fehlt nach eigenen Angaben das Geld. Betroffen sind neben dem Kolleg noch weitere Stellen: eine Mutter-Kind-Kureinrichtung in Horn-Bad Meinberg und eine Einrichtung für Menschen mit Autismus in Löhne sollen in eine andere Trägerschaft übergehen; Wohnanlagen sollen verkauft und das Frauenschutzzentrum in Minden geschlossen werden. 150 bis 200 von rund 4.500-AWO-Beschäftigten in OWL müssten gehen oder woanders beschäftigt werden.

Die Begründung: Corona, Fachkräftemangel, steigende Energie-, Sach- und Personalkosten. All diese Belastungen würden nicht komplett refinanziert von Bund, Land und Kommunen. Der AWO-Vorstand in OWL kritisiert auch die Sozialpolitik. Als gemeinnütziger Verband dürfe die AWO keine Gewinne machen, werde aber gleichzeitig mit immer mehr Kosten belastet.

Kitas sollen nicht geschlossen oder abgegeben werden

Die Schülerinnen und Schüler am AWO-Berufskolleg hoffen aber, dass sie bis Oktober eine Finanzierung bekommen, damit ihre Schule bis 2025 offen bleibt. Schulleiter Tobias Kämper kann die Entscheidung nicht nachvollziehen: "Wir sind alle schockiert. 280 Studierende können ihre Ausbildung nicht zu Ende führen. Es ist absolut paradox, eine Schule zu schließen, die Fachkräfte ausbildet und gleichzeitig ist der Fachkräftemangel so hoch."

Die Trägerschaft für die AWO-Kindertagesstätten soll nicht abgeben werden. Das hat der Bezirksverband in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt. Der Bereich der Kindertagesbetreuung sei eine große und wichtige Säule, die auch zukünftig kontinuierlich weiterentwickelt werde. Die Arbeiterwohlfahrt ist einer der größten Sozialträger in der Region.