Studiogespräch: Prof. Uwe Janssens, Chefarzt Intensivmedizin St.-Antonius-Hospital Eschweiler
Aktuelle Stunde . 29.05.2024. 29:05 Min.. UT. Verfügbar bis 29.05.2026. WDR.
Ärzte: Mehr aggressive Patienten in Westfalen-Lippe
Stand: 29.05.2024, 08:03 Uhr
Ob langes Warten, fehlende Aufklärung oder Kritik an der Behandlung – fast täglich kommt es in Arztpraxen zu Auseinandersetzungen. Das Personal fordert besseren Schutz.
Von Nicole Albers
"Hinterher gucken wir uns immer an und denken, kann nicht wahr sein!" Britta Felber arbeitet schon seit vielen Jahren in Rheine in der Praxis "Precise Vision Augenärzte". Die Arzthelferin kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen, auch nicht, wenn Patienten sich im Ton vergreifen. Aber manchmal ist auch sie fassungslos.
Ton deutlich rauer geworden
Dieses Schild steht in der Praxis von "Precise Vision Augenärzte"
"Manche kommen hier vorne hin, knallen den Anmeldebogen auf die Theke und schreien rum, warum es so lange dauert." Seit einigen Jahren sei das deutlich mehr, der Ton deutlich rauer geworden. Auf dem Tresen steht mittlerweile ein großes Schild mit der Aufschrift "Null Toleranz", welches darauf hinweist, dass aggressives Verhalten jedweder Art in dieser Praxis tabu ist.
Nicht ohne Grund, denn manche Patienten werden sogar handgreiflich. Zuletzt vor einigen Wochen. Ein Paar saß im Wartebereich und schaute lautstark Videos. "Wir haben die beiden mehrmals gebeten, das Handy leiser zu stellen", erzählt Felber. Irgendwann holte sich das Team Unterstützung vom Hausmeister, der dann von dem Paar heftig attackiert und geschlagen wurde.
Behandlung immer mit einem Zeugen
"Die Lunte ist deutlich kürzer", stellt auch Chefarzt Florian Kretz fest. Mittlerweile sitzt bei Untersuchungen neben dem Behandelnden immer auch ein weiterer Mitarbeiter mit im Raum – einerseits um die Abläufe zu beschleunigen, andererseits aber gehe es darum, notfalls Unterstützung und vor allem einen Zeugen zu haben.
Zwei von drei Ärzten wurden schonmal attackiert
Erfahrungen, die auch viele andere Mediziner bereits gemacht haben. Nach einer aktuellen Umfrage der Ärztekammer Westfalen-Lippe berichten zwei von drei Ärzten von Gewalterfahrungen. Die Umfrage wird heute veröffentlicht - insgesamt beteiligten sich über 4.500 Mediziner an der Befragung, rund 1.000 von ihnen haben bereits körperliche Attacken durch Patienten oder deren Angehörige erlebt.
Rechtliche Handhabe - Fehlanzeige
Praxen sind gut beraten, sich selbst zu schützen, etwa durch Deeskalations-Schulungen. Bei Seminaren wird dem medizinischen Personal beigebracht, wie sie aufgebrachte Patienten oder Angehörige beruhigen können. Was allerdings immer noch fehlt, ist eine rechtliche Handhabe gegen Bedrohungen und verbale Angriffe.
"Da muss dringend nachgebessert werden", meint Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. "Bislang werden solche Delikte rechtlich so behandelt wie ein Nachbarschaftsstreit am Gartenzaun."
§ 115 StGB ausdehnen
Die Ärztekammer fordert deshalb, dass der § 115 im Strafgesetzbuch auch auf Ärzte und weiteres medizinisches Personal ausgedehnt wird. Bislang begrenzt der sich auf Vollstreckungsbeamte wie etwa Polizisten, stellt Angriffe auf die Personen unter Strafe. Doch ob und wenn ja, wann ein solcher Paragraf auch für die Ärzte greift, ist völlig ungewiss.
Unsere Quellen:
- WDR-Autorin vor Ort
- Ärztekammer Westfalen-Lippe
- Arztpraxis Precise Vision
Über das Thema berichtet der WDR am 29. Mai 2024 auch in der Lokalzeit Münsterland im Fernsehen.