Vom großen Glück, allein zu reisen

Stand: 19.10.2022, 14:00 Uhr

Carolin Betten hat vor sechs Jahren ihren Job und ihre Wohnung gekündigt. Seitdem reist die 29-jährige Sauerländerin durch die Welt - meistens allein. Zur Zeit ist sie in Deutschland, lebt mit Hund Kika in ihrem Van auf einer Wiese mitten im Wald. Im nächsten Jahr geht es wieder los.

Von Katja Brinkhoff

"Anfangs braucht es Mut. Aber eigentlich ist es ganz leicht." Carolin Betten

"Solo Travel"

Allein zu reisen ist momentan im Trend. Zwischen 2018 und 2020 hat sich die Suche nach dem Wort "solo travel" (allein reisen) bei Google verdreifacht. Viele Menschen gehen weg vom Massentourismus, wollen authentische Erfahrungen machen – allein. Studien zufolge sind bis zu 85 Prozent aller Soloreisenden Frauen.

WDR:  Das Alleinreisen ist das eine, alles aufzugeben, um genau das zu tun, ist das andere. Wie kam es dazu?

Carolin Betten

Carolin Betten: "Ich wollte einfach nicht mehr in diesem Büro arbeiten. Das war nichts. Ich habe gesagt, da muss sich etwas ändern und Australien war schon immer mein Sehnsuchtsort. Und dann wollte ich dieses Abenteuer starten. Aber nicht ganz allein."

WDR: Was heißt das – nicht ganz allein?

Betten: "Ich hatte Angst die ersten Schritte ganz allein zu tun. Also habe ich mir im Internet eine Reisepartnerin gesucht. Das passte auch und war für den Anfang in Ordnung. Und dann habe ich nach einigen Wochen in Australien gemerkt, es ist Zeit für Veränderung. Ich bin allein weitergereist."

WDR: Was ist der Vorteil?

Carolin Betten vor ihrem Wohnwagen

Betten: "Ich habe schnell gemerkt, dass mir das eine ungeheure Flexibilität gibt. Dass es so schön ist, alleine zu reisen und dass ich mich dabei gut kennenlerne, weil ich Zeit für mich habe. Wann bist Du hier im Alltag schon mal richtig allein. Immer ist da irgendjemand – Freunde, Familie, Arbeitskollegen."

WDR: Du hast in den letzten sechs Jahren die ganze Welt gesehen – meistens bist du allein unterwegs. Ist da nie das Gefühl, es fehlt jemand?

Betten: "Ich war fast nie einsam. Klar gibt es Momente, wo ich mir jemanden an meiner Seite gewünscht hätte. Wenn etwas nicht klappt oder bei Krankheiten. Aber das sind nur Momente."

WDR: Du sagst, du warst selten einsam. Unterscheidest Du zwischen einsam und allein?

Carolin Betten auf einer Bergkuppe

Betten: "Wenn ich allein bin, dann bin ich trotzdem glücklich. Wenn ich einsam bin, bin ich unglücklich während ich allein bin. Auf meinen Reisen bin ich nie einsam."

WDR: Weil Du schnell Menschen kennenlernst

Betten: "Du lernst immer irgendjemanden kennen. Vor allem, wenn man als Frau alleine reist, finden Leute das interessant und sprechen dich an. Du bleibst nicht allein. Zwischendurch lernt man Leute kennen, mit denen man länger zusammenbleibt."

WDR: Hast Du nie Angst gehabt?

Betten: "Nie."

WDR: Würdest Du sagen, jeder kann allein reisen?

Carolin Betten trampt

Betten: "Klar, das kann jeder. Und er muss es ja auch nicht so machen, wie ich mit dem Zelt oder im Van. Ich habe auch manchmal Wohnungen gemietet oder bin im Hostel gewesen. Jeder soll es so machen, wie es zu ihm passt. Der erste Schritt erfordert Mut. Aber eigentlich ist es ganz leicht."

WDR: Wie geht es jetzt bei Dir weiter?

Betten: "Im Moment bin ich in Deutschland, auch um ein wenig zu arbeiten. Irgendwann im nächsten Jahr geht es wieder los. Wann und wohin, weiß ich noch nicht. Was ich genau weiß, ist dass ich genau so leben möchte."

Dieses Interview führte WDR-Reporterin Katja Brinkhoff.