Lebensgefährlich und saudumm: Deo-Challenge

Aktuelle Stunde 11.09.2023 28:26 Min. UT Verfügbar bis 11.09.2025 WDR Von Astrid Houben

Gefährliche TikTok-Challenges: Wie Eltern ihre Kinder schützen können

Stand: 11.09.2023, 19:33 Uhr

Im Kreis Coesfeld ist ein 15-Jähriger nach einer Mutprobe gestorben, die er auf Tiktok gesehen und nachgemacht hat. Warum machen Jugendliche das und wie können Eltern ihre Kinder davor schützen? Fragen und Antworten.

Immer wieder gibt es sogenannte TikTok-Challenges (auf Deutsch: Herausforderungen/Mutproben), die zu Rettungseinsätzen führen. So musste vor ein paar Wochen an einer Schule in Euskirchen der Notarzt kommen, weil einige Schüler extrem scharfe Chilli-Chips gegessen hatten. Das ging noch halbwegs gut aus.

Schlimmer ist gerade eine Deo-Challenge. Die Aufgabe: möglichst lange und viel Deo einatmen oder auf die Haut sprühen. Nach einer 17-Jährigen in Schleswig-Holstein ist daran am Wochenende ein 15-Jähriger im Kreis Coesfeld gestorben.

Um sie vor diesen gefährlichen Challenges zu schützen, sollten Eltern ihre Kinder für das Thema frühzeitig sensibilisieren, sagt die Medienpädagogin Rebecca Wasinski von der Landesanstalt für Medien NRW. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sind TikTok-Challenges?

Unter dem Begriff "Challenge" finden sich in sozialen Netzwerken wie TikTok Herausforderungen oder Mutproben - von harmlosen und unterhaltsamen bis zu gefährlichen. Erreicht eines dieser Videos größere Aufmerksamkeit und geht viellecht sogar viral, versuchen andere es nachzuahmen.

Rebecca Wasinski

"Eltern sollten wissen, dass Challenges auf Tiktok eigentlich rund um die Uhr eine Rolle spielen, aber keinesfalls immer gesundheitsgefährdend oder schlecht sind", sagt Medienpädagogin Rebecca Wasinski. "Es gibt auch viele Challenges, die einen kreativen Anspruch haben oder die Geschicklichkeit fördern, also auch nicht als negativ zu bewerten sind." Es gibt aber auch Mutproben, wo die eigene Gesundheit oder die anderer riskiert wird.

Warum machen Kinder und Jugendliche diese Mutproben?

"Vor allem durch den Reiz, möglichst viele Likes zu bekommen, werden Jugendliche schnell dazu getrieben, Sachen zu machen, die sie sonst nicht machen würden", sagt Wasinski.

"Diese Likes steigern das Selbstwertgefühl, weil anscheinend gefällt den Leuten, was ich da gemacht und veröffentlicht habe. Und gegebenfalls sehen das viele Leute. Der Gruppenzwang spielt da eine Rolle, beliebt zu werden oder sich als mutig oder als cool darzustellen. Das sind Faktoren, die Jugendliche dazu bringen, an solchen Challenges teilzunehmen." Rebecca Wasinski, Medienpädagogin

Wie sprechen Eltern mit ihren Kindern über die Gefahren?

Für Rebecca Wasinski sind offene Kommunikation und Prävention die entscheidenden Punkte. Eltern sollten mit dem Kind über Mediennutzung sprechen und ehrliches Interesse zeigen.

"Wenn man weiß, dass sein Kind ein Smartphone hat und TikTok nutzt, lohnt es sich zu fragen, was die aktuellen Trends sind, welche Videos dort laufen und sich das auch mal zeigen zu lassen. Dann bekommt man schnell ein Gefühl dafür, was denn Inhalte sind, die potenziell gefährdend oder auch harmlos sind."

Sollten Eltern Strafen wie Handyverbote androhen?

Nein, sagt die Medienpädagogin. Wichtig sei, dass Eltern ihren Kindern vermitteln, dass sie nichts zu befürchten hätten. Heißt: kein Handyverbot oder andere Sanktionen.

"Die Kinder sollten keine Angst haben, auf die Eltern zuzukommen, auch wenn mal was schiefgeht in den Sozialen Medien. Das zu besprechen ist ganz wichtig." Rebecca Wasinski, Medienpädagogin

Wenn mein Kind an einer Challenge teilnehmen will, worauf muss ich achten?

"Es ist schon ein gutes Zeichen, wenn man überhaupt vom Interesse erfährt. Dann macht es Sinn zu besprechen, dass es auch riskante Mutproben gibt und viele Fakes kursieren. Nicht alles, was eindrucksvoll aussieht, ist echt", weiß die Medienpädagogin. Man solle die Kinder ermutigen, das Handeln kritisch zu hinterfragen und sie darin bestärken, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen - auch wenn es einen Gruppendruck gibt.

Eltern könnten zudem vermitteln, dass das Weiterverbreiten und Teilen gefährlicher Challenges auch für andere gefährlich werden kann. Gefährliche oder selbstgefährdende Inhalte können Eltern oder Jugendliche auf Plattformem wie www.jugendschutz.net selbst melden.

Wie können Eltern ihre Kinder fit machen für den Umgang mit Sozialen Medien?

"Eltern sollten zunächst offen sein und akzeptieren, dass Soziale Medien eine wichtige Rolle im Leben von Kindern und Jugendlichen spielen", rät Rebecca Wasinski. Sie sollten versuchen, selbst up to date zu bleiben über Soziale Medien und immer wieder im Gespräch bleiben - allerdings nicht aus einer wertenden Perspektive. "Kinder und Jugendliche sollten nicht das Gefühl bekommen, dass die Eltern sie bevormunden wollen."

Man könne überlegen, gemeinsame Nutzungsregeln aufzustellen. Das biete sich an, wenn Kinder die ersten eigenen Schritte mit digitalen Medien machten oder ihr erstes Smartphone bekämen. Auch die Nutzungszeit solle reflektiert werden. Wasinski: "Wenn man im Gespräch bleibt und Kinder bei der Mediennutzung begleitet, sind Eltern auf einem guten Weg."

Welche Möglichkeiten haben Lehrerinnen und Lehrer?

Auf www.klicksafe.de gibt es viele medienpädagogische Angebote für Lehrerinnen und Lehrer - auch zu TikTok-Challenges. Damit können Unterrichtsstunden oder Projektwochen gestaltet werden. Individuelle Fragen beantwortet die Landesanstalt für Medien NRW auf www.fragzebra.de.

Zusammengefasste Tipps für Eltern:

  • Vereinbaren Sie Zeiten und Regeln der Mediennutzung.
  • Ermutigen Sie Kinder und Jugendliche, Challenges zu hinterfragen.
  • Bestärken Sie Kinder, dem Gruppendruck nicht nachzugeben.
  • Gefährliche Challenges sollten hier oder hiergemeldet werden.
  • Links mit gefährlichen Challenges sollten niemals geteilt werden.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Rebecca Wasinski
  • Nachrichtenagentur KNA
  • Landesanstalt für Medien NRW
  • Landesanstalt für Medien Rheinland-Pfalz

Über dieses Thema haben wir unter anderem am 11.09.23 in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen berichtet.