Als die Bundeskanzlerin zuletzt am 3. März mit den Regierungschefs der Länder konferierte, ging es vor allem um Lockerungen - um die Wiederöffnung von Geschäften und Schulen. Als wichtiges Instrument, um die Kontrolle über das Infektionsgeschehen behalten zu können, wurde die sogenannte "Notbremse" beschlossen.
In mehreren Großstädten und Landkreisen in NRWs wollen die Verantwortlichen jetzt die Schulen schließen, weil dort die Infektionszahlen in die Höhe gehen - und Tests oder andere Schutzmaßnahmen nicht ausreichend in Sicht sind. Doch die Landesregierung will das verhindern.
Ab wann gilt die "Notbremse"?
Sollten die Infektionszahlen wieder steigen und die Inzidenz in einer Region oder einem Land drei Tage lang über 100 liegen, dann "treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft", heißt es in der Bund-Länder-Vereinbarung. Also zum Beispiel stärkere Kontaktbeschränkungen, Geschäftschließungen. Die "Notbremse", so die Bundesregierung am 9. März, haben Bund und Länder gemeinsam beschlossen.
Gilt diese Regelung bundesweit?
Nicht unbedingt. In der Mitteilung der Bundesregierung heißt es nämlich auch: Nach dem föderalen Prinzip könnten "die Länder in ihrer Zuständigkeit die konkreten Regelungen" erlassen. Regionale Besonderheiten und unterschiedliche Entwicklungen der Infektionslage machten es "notwendig, dass die Länder und Landkreise bedarfsgerecht auf die jeweilige Situation vor Ort reagieren". Deswegen könne es in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen geben.
Wie definiert also NRW die "Notbremse"?
In der Coronaschutzverordnung für NRW, die nach den gemeinsamen Beschlüssen zwischen Bund und Ländern aktualisiert wurde, kommt das Wort "Notbremse" gar nicht vor. Allerdings heißt es dort, dass Städte oder Kreise mit einer Inzidenzzahl von "nachhaltig" über 100 die Erforderlichkeit "zusätzlicher Schutzmaßnahmen" prüfen sollen. Umsetzen dürfen sie diese dann aber nur "im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales anordnen".
NRW gibt damit also den Kommunen einen Ermessensspielraum, der im Bund-Länder-Beschluss so nicht erwähnt ist. Oder umgekehrt formuliert: Die mit dem Bund ausdrücklich vereinbarte Notbremse findet sich in dieser Klarheit in der Coronaschutzverordnung für NRW nicht wieder.
Die Antwort des Ministerium auf die Anfrage, wie genau die Landesregierung die "Notbremse" einsetzen will, steht noch aus.
Mancherorts liegt die Inzidenz deutlich über 100. Wann greift hier die Notbremse?
In NRW, so erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums, gelte die Notbremse in Bezug auf die landesweite Inzidenzzahl, nicht in Bezug auf regionale Entwicklungen. Die Notbremse sei außerdem in NRW "kein Automatismus", hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag in einem Pressebriefing erklärt.
Gilt die Notbremse auch für Schulen?
Auch das muss das Gesundheitsministerium noch beantworten. Mit dem Bund hatten die Länder vereinbart, dass sie beim Thema Schule selber entscheiden, welche Regeln in der Pandemie gelten.
Die Städte und Landkreise, deren Inzidenzwert deutlich über 100 liegt und die jetzt ihre Schulen aus Vorsicht wieder schließen wollen, bekamen dafür bisher vom Ministerium keine Erlaubnis. Dazu gehören neben Dortmund, Düren und Duisburg beispielsweise auch Hagen, Herne, Lüdenscheid und Iserlohn.
Schulschließungen dürften "nicht immer als erste Maßnahme" gelten, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag. Besonders in großen Landkreisen müsse man die Lage differenzierter betrachten. "Das Verfahren muss so sein, dass eine Gemeinde darlegen muss, was ihr sonst noch eingefallen ist außer Schulen zu schließen", so Laumann.
Gilt die Notbremse für Kitas?
Tatsächlich hat das NRW-Familienministerium schon vor einigen Wochen eine Handlungsanweisung bei steigendem Infektionsgeschehen verfasst. "Bei sprunghaftem Anstieg", heißt es darin, soll eine "Corona-Notbremse" in Kraft treten: Betretungsverbot in Kitas, Notbetreuung ausschließlich für Kinder mit besonderem Bedarf oder Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen. Diese Notbremse solle "möglichst regional begrenzt" angewendet werden.
Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) nahm die Inzidenzzahlen in seiner Stadt zum Anlass, Kitas "in den Notbetrieb" schicken zu wollen. Die Sieben-Tages-Inzidenz liegt derzeit bei 122 - das ist einer der höchsten Werte in NRW und über dem Grenzwert von 100. Trotzdem hat der zuständige Familienminister Joachim Stamp (FDP) angekündigt, solche Schließungen zu verbieten. Sein Argument: "Man darf sich nicht nur auf die Kinder konzentrieren", sondern müsse das gesamte Infektionsgeschehen mit Gottesdiensten und Party im Blick behalten, sagte er im WDR-Fernsehen. Und: Es gebe ein festgelegtes Verfahren, an das sich die Kommunen halten müssten - erst die Absprache mit dem Gesundheitsministerium, dann eventuell eine Allgemeinverfügung. Ob das passiert ist oder nicht, darüber streiten sich jetzt die Stadt Duisburg und die Ministerien.