Politik in der Corona-Krise: "Die Leute blicken nicht mehr durch"

Stand: 27.03.2021, 21:22 Uhr

Rolle rückwärts von Merkel und Laschet: Die Corona-Politik wirkt oft chaotisch - auch ihre Krisenkommunikation. Wie kommt das? Politikberater Daniel Dettling im Interview.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) macht die Rolle rückwärts und bittet wegen eines Fehlers in ihrer Corona-Politik um Verzeihung. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) irritiert: Erst kündigt er an, die Corona-Notbremse "eins zu eins umsetzen", dann lässt er zu, dass sie mit einer Teststrategie doch ausgehebelt wird.

Von Chaos ist die Rede - nicht nur in der Corona-Politik, sondern auch in ihrer Krisenkommunikation. Wie es dazu kommt, erklärt im Interview der Politikberater Daniel Dettling.

WDR: Welchen Eindruck macht die aktuelle Corona-Politik und Krisenkommunikation auf Sie?

Daniel Dettling: Viele Leute blicken nicht mehr durch. Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern sind nicht klar verteilt. Das fördert den Pandemie-Verdruss. Und das hat einen fulminanten Vertrauensverlust zur Folge, wie man an den Zustimmungswerten für die Bundesregierung erkennt.

WDR: Was läuft da schief?

Dettling: Wir sind sehr unvorbereitet in die zweite und dritte Welle gegangen. Es gab keinen abgestimmten Plan zwischen Bundesregierung und Bundesländern. Es gibt keinen nationalen Krisenrat, wie das andere Länder haben. Und wir sehen jetzt auch die Grenzen des kooperativen Föderalismus.

Es braucht zwar insgesamt mehr Wettbewerb der Ideen zwischen Bund und Ländern und auch unter den Bundesländern. Aber das A und O ist eine konsistente, klare Krisenkommunikation. Die fehlt.

WDR: Die Krisenkommunikation schien zu Beginn der Pandemie weniger chaotisch. Teilen Sie den Eindruck?

Dettling: Ja, jetzt läuft es chaotischer. Die Kanzlerin kann Krisen, sie kann aber nicht Kommunikation. Also müssten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mehr Verantwortung übernehmen. Seit Oktober tun sie das aber nur reaktiv, kaum proaktiv. Auch die Bundesminister und der Regierungssprecher müssten mehr erklären. Das findet eigentlich so gut wie gar nicht statt.

Niemand redet direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Dabei müsste man den Menschen viel mehr erklären. Und es braucht gleichzeitig eine Perspektive der Hoffnung, der Öffnung, der Zuversicht. Auch das fehlt.

WDR: Es fehlt also auch jemand, der eine Vision aufzeigt?

Dettling: Genau. Das kann ein nationaler Krisenstab sein - zum Beispiel mit Gesundheitsminister Spahn, SPD-Mann Lauterbach, Virologe Drosten, mit dem Regierungssprecher und dem Bundesratsvorsitzenden. Da reichen wenige Personen, die die Corona-Politik in verständlichen Worten erklären. Und daraus kann man eine Kommunikationskampagne zimmern, die bis in die Kommunen reicht.

Das sieht man bei Ländern, die in der Pandemie-Bekämpfung erfolgreich sind: Die haben von Anfang an die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen. Es ist ja nicht nur eine Aufgabe von Politikern und Experten, Corona zu bekämpfen - es ist Aufgabe von uns allen.

In der ersten Welle hat die Einbindung der Bürgerinnen und Bürgern noch einigermaßen geklappt. In der zweiten und dritten Welle ist das völlig vergessen worden. Jetzt changieren wir zwischen Pandemie-Müdigkeit, Verdrossenheit und Panik. Und das ist kein guter Weg aus der Krise.

Die Fragen stellte Andrea Moos. Verschriftlichung: Jörn Seidel.