Der Verkehr auf den Straßen und in Zügen nimmt wieder zu, viele Firmen beordern ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wieder ins Büro. Zeitgleich aber steigen die Infektionszahlen in der Coronakrise. Wie können Unternehmen ihre Arbeitsabläufe sicherstellen, aber auch die Mitarbeiter schützen? Professor Dr. Stefan Süß von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf sieht Mischformen als mögliche Lösung.
Fünf Tage die Woche ins Büro ist meist nicht nötig
"Der zunehmende Verkehr auf den Straßen ist sicherlich ein Indikator dafür, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder ins Büro holen", sagt Prof. Süß, der in Düsseldorf zur flexiblen Gestaltung von Arbeit forscht. In den vergangenen Jahren habe sich der Trend hin zu Großraumbüros nach amerikanischem Vorbild etabliert. Die entpuppten sich in der jetzigen Situation als "nicht so clever. Daher erachte ich Mischverhältnisse als sehr sinnvoll. Es ist in den seltensten Fällen nötig, fünf Tage die Woche ins Büro zu kommen. Und umgekehrt ist auch nicht unbedingt nötig, fünf Tage die Woche von zuhause zu arbeiten", sagt Prof. Süß.
Viele wollen auch wieder zurück ins Büro
Laut Süß gibt es ohnehin in NRW viele Großunternehmen, die gemerkt haben, dass die Anwesenheit in den Büros gar nicht immer nötig ist. "Das ist bei Vodafone oder der Allianz zum Beispiel so. Aber viele Individuen wollen auch zurück ins Büro. Es ist ein normaler Wunsch von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, Privates und Berufliches nicht zu sehr vermischen zu wollen", erklärt Süß.
Die Erfahrungen von Beschäftigten mit dem Homeoffice sind laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gemischt. So haben fast zwei Drittel der Befragten mit Homeoffice-Nutzung den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit bei der Arbeit zu Hause verschwimmen. 37 Prozent sagen sogar, dass sie im Homeoffice mehr Wochenstunden arbeiten. Andererseits sagen 77 Prozent, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Idealzustand: Arbeitnehmer entscheiden selbst
Das ideale Modell der Zukunft sei sicherlich, dass Arbeitnehmer entscheiden können, wie viele Tage sie im Büro arbeiten und wann sie zuhause bleiben. Das sei auch in Sachen Infektionsschutz ein Gewinn. Die Büros wären dann schlichtweg leerer. "Und wenn die Mitarbeiter in geordneten Verhältnissen in Büros aufeinanderstoßen, dann steigt das Infektionsrisiko nicht sonderlich", glaubt Süß. So könnten aus der Arbeitssituation Motivation und Zufriedenheit gezogen werden.
Schwierig sei die Situation gerade jetzt bei steigender Unsicherheit wegen der hohen Infektionszahlen in Firmen, wo es beide Arten von Arbeit gibt: "In Unternehmen, wo einige Angestellte vor Ort sein müssen und andere ins Homeoffice dürfen, da muss man aufpassen, was das mit der Kultur und Kooperation im Betrieb macht. Das kann schnell Unzufriedenheit erzeugen", warnt der Experte.
Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Juli möchte fast die Hälfte aller Befragten nach der Krise genauso oft im Homeoffice arbeiten wie während der Krise.
Warnung vor Zweiklassen-Belegschaft
Denn oft seien die Mitarbeiter, die ins Home Office können, Personen mit einer höheren Qualifikation und einem höheren Gehalt. "Wenn die dann auch noch das Homeoffice-Privileg haben, entsteht schnell eine Zweiklassen-Belegschaft", so Süß weiter.