Wer gegen Covid-19 geimpft ist, wird nicht zum Corona-Patienten, der das Gesundheitssystem belastet. Dennoch gelten auch für Geimpfte dieselben Einschränkungen von Grundrechten wie für alle anderen auch. Schluss damit, forderte am Sonntag Außenminister Heiko Maas (SPD) - und erntet dafür nicht nur bundesweit Kritik, sondern auch Lob aus NRW.
Maas: Zentraler Grund für Einschränkungen fällt weg
"Es ist noch nicht abschließend geklärt, inwiefern Geimpfte andere infizieren können. Was aber klar ist: Ein Geimpfter nimmt niemandem mehr ein Beatmungsgerät weg. Damit fällt mindestens ein zentraler Grund für die Einschränkung der Grundrechte weg", sagte Maas der "Bild am Sonntag".
95-Jährige: "Sich freier bewegen können, das möchte ich"
Tatsächlich mögen sich Geimpfte fragen, warum sie sich nicht wieder ohne Beschränkung mit Freunden und Verwandten treffen dürfen. Warum sollen sie ihre Immunität nicht sinnvoll nutzen?
Eine, die große Hoffnungen hat, dass sich mit ihrer Impfung vieles bessert, ist die 95-Jährige Erika Löwer, Bewohnerin des Marienheims in Siegen. "Sich freier bewegen können, das möchte ich", sagte sie nach ihrer zweiten Impfung am Sonntag dem WDR. Aber auch für sie gelten die Kontaktbeschränkungen vorerst weiter.
NRW-SPD: Es geht nicht um Privilegien für Geimpfte
"Bundesaußenminister Heiko Maas hat recht: Es geht nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern um die Ausübung von Grundrechten", sagte der Vorsitzende der NRW-SPD, Sebastian Hartmann, dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Rechtswissenschaftler: Ansteckungsgefahr entscheidend
Auch Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza teilt Maas' Ansicht. Maßnahmen wie die Kontaktbeschränkungen oder der 15-Kilometer-Bewegungsradius seien ein "Notbehelf", um Menschen vor dem Virus zu schützen, sagte er am Sonntag dem WDR. Geimpfte bräuchten solche Schutzmaßnahmen nicht mehr. Allerdings ist nach Ansicht des Professors die Frage entscheidend, ob man als Geimpfter das Virus noch übertragen kann.
Lambrecht: Unterschied zwischen Staat und Privatbereich
Ähnlich argumentiert auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). "Solange nicht wissenschaftlich sicher belegt ist, dass die Impfung auch vor einer Weitergabe des Virus schützt, kommt eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften gegenüber Nicht-Geimpften nicht infrage", sagte die Justizministerin am Freitag. Allerdings müsse man zwischen dem Handeln des Staates und dem im privaten Bereich unterscheiden: "Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich untersagen können."
Maas erinnert an Restaurant-Betreiber
Auch Außenminister Maas erinnerte auch an die Betreiber von derzeit geschlossenen Restaurants oder Kinos. Bestehe keine Gefahr, müssten sie öffnen dürfen. "Wenn erst mal nur Geimpfte im Restaurant oder Kino sind, können die sich nicht mehr gegenseitig gefährden."
Maas ist der erste Minister der Bundesregierung, der Lockerungen für Geimpfte fordert. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich wiederholt dagegen ausgesprochen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Donnerstag, erst wenn jedem Bundesbürger eine Impfung zur Verfügung stehe, sei eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften und Nicht-Geimpften denkbar.