Die Corona-Infektionen haben das Gesundheitswesen zu Weihnachten an den Rand der Überlastung getrieben. Die Inzidenz lag knapp über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche - und sank auf rund 55 vor genau einem Monat.
Der Ruf nach Öffnungen wurden angesichts stabiler Infektionszahlen immer lauter - seit Montag ist im öffentlichen Leben mehr möglich: Shoppen und Besuche etwa in Museen. Mit Termin und Kontaktnachverfolgung. Falls die Zahlen wieder deutlich steigen, haben Bund und Länder eine regionale "Corona-Notbremse" vereinbart, sollte der Inzidenzwert über 100 liegen.
Kein Brems-Automatismus in NRW
Der Wert steigt seit drei Tagen deutlich, doch die Notbremse soll in Nordrhein-Westfalen nicht automatisch greifen. Das teilte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums dem WDR am Samstag mit. Die WAZ hatte zuerst berichtet.
In neun Kommunen ist der Inzidenzwert überschritten, doch maßgeblich ist das landesweite Ausmaß: momentan sind es 75,9.
Der Ministeriumssprecher erklärte, bei der Überschreitung einer landesweiten Inzidenz müsse zunächst geprüft werden, welche Umstände dazu geführt hätten. Ein Grund dafür seien die vielen Tests, die seit Beginn der Woche möglich sein. Doch Schnelltests und Selbsttests sind offenkundig landesweit schwer zu kriegen.
Mehr Tests, höhere Zahlen?
Der Ministeriumssprecher erklärte schriftlich: "In NRW startete in dieser Woche mit viel Dynamik das Verfahren zur Bürgertestungen. Wenn alleine durch die vielen zusätzlichen Testungen bei einem ansonsten stabilen Infektionsgeschehen die Zahlen steigen, muss man das bei den weiteren Bewertungen mit einbeziehen. Denn der MPK Beschluss wollte mit der Notbremse ja auf ein steigendes Infektionsgeschehen reagieren."
Doch der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, ist sicher: Dass die Corona-Zahlen steigen, liege nicht daran, dass inzwischen mehr getestet wird. Er sagt, die Lage insgesamt verschärft sich wieder. Die Zahlen steigen demnach in Kitas, aber auch generell bei Menschen unter 60 Jahren. Das könnte auch mit den Lockerungen seit Montag zusammenhängen.
Der Sprecher von Bundeskanzlerin Merkel, Steffen Seibert, betonte: "Sollte sich durch die Öffnungsschritte, die wir jetzt vollziehen, die Inzidenz zu stark steigern, dann wird man auch Schritte wieder zurücknehmen müssen, beziehungsweise wird nächste Schritte nicht machen können."
Drei Bürgermeister gegen Präsenz in der Schule
Die Landesregierung prüft. Die Bürgermeister der Städte Halver, Lüdenscheid und Iserlohn möchten die Notbremse sofort ziehen. Sie haben sich mit einem Schreiben an die Schulministerin gewandt.
In dem Brief äußern Michael Brosch, Sebastian Wagemeyer und Michael Joithe ihre Sorge darüber, dass in ihren Städten trotz hoher Inzidenzen bei einem Wert um 150 ab Montag alle Schulformen und -klassen geöffnet werden. Vielen sei unverständlich, dass zwei Wochen vor den Osterferien eine Ausweitung des Präsenzunterrichts vorgesehen sei.
Damit das für alle sicher ist, sollen die Schulen Selbsttests für alle bekommen. Allerdings glaubt selbst die Schulministerin nicht daran, dass das überall klappt.