Nach dem Talkshow-Rüffel von Kanzlerin Angela Merkel hat Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU) reagiert. Laschet verteidigte am Montag in Berlin die geltenden Corona-Regelungen in NRW - sein Koalitionspartner FDP wehrte sich noch deutlicher.
Ohne Merkel namentlich zu erwähnen, sagte der CDU-Chef, es helfe nicht weiter, wenn sich Bund und Länder gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Laschet sagte, auch Ministerpräsidenten sollten sich nicht gegenseitig die Corona-Infektionszahlen in ihren Bundesländern vorhalten. Zugleich erwähnte er, dass NRW unter dem Bundesdurchschnitt liege.
Merkel: NRW mit zu viel Ermessensspielraum
"Ich bin für jeden Vorschlag des Bundes offen, was wir noch besser machen können", sagte Laschet. Bislang kenne er noch keine neuen Vorschläge. Die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin solle künftig wieder in Präsenz tagen, um vertrauensvollere Beratungen zu ermöglichen.
Merkel hatte CDU-Chef Laschet im Gespräch mit Anne Will einen Verstoß gegen die Notbremse vorgeworfen - und dabei auch andere Länder kritisiert. "Das erfüllt mich nicht mit Freude", so die Kanzlerin. "Das Land (NRW) hat eine Umsetzung gewählt, die zu viel Ermessensspielraum mit sich bringt."
Laschet: NRW schafft Anreiz für mehr Testungen
Ab einer Inzidenz von 100 müsse zu den Corona-Beschränkungen zurückgekehrt werden, wie sie vor dem 7. März gegolten haben, so Merkel. In NRW hingegen gelten in 26 Kommunen Ausnahmen von der Notbremse, wenn Menschen zum Beispiel beim Shoppen einen negativen Schnelltest vorweisen können.
Laschet verteidigte dieses Modell - in NRW gebe es auch deshalb die "Test-Option", um einen Anreiz für mehr Tests in der Bevölkerung zu setzen. Die Landesregierung habe gleichzeitig eine flächendeckende Umsetzung der Notbremse per Verordnung angewiesen, sagt der CDU-Chef.
Der Ministerpräsident habe etwas mit der Kanzlerin beschlossen, was jetzt nicht eins zu eins umgesetzt werden, sagte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Thomas Kutschaty. Das sei schlecht, weil dadurch Vertrauen in der Bevölkerung verlorengehe. "Lockerungen durch die Hintertür sind unverantwortlich", teilten die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer und Josefine Paul mit.
FDP: Merkel hat viel Vertrauen verspielt
Laschets Koalitionspartner FDP drehte den Spieß um und erinnerte Merkel an Fehler des Bundes etwa beim Impfen und Testen. Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp sagte der "Welt", das Bundeskanzleramt solle sich auf "eigene Versäumnisse konzentrieren". FDP-Fraktionsvize Marcel Hafke rügte im WDR das "Demokratieverständnis" der Kanzlerin im Föderalismus und forderte Merkel dazu auf, mehr Impfstoff zu beschaffen. Auch Henning Höne (FDP) kritisierte, Merkel sei "nicht Vorgesetzte der Ministerpräsidenten".
Corona-Streit und K-Frage
In jedem Fall setzen die Merkel-Aussagen Laschet und die NRW-Landesregierung unter Druck. Angesichts steigender Infektionszahlen ließ Merkel bei Anne Will durchblicken, dass der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht zeitnah die nötigen Maßnahmen ergreifen sollten.
Zum Streit um die richtigen Corona-Maßnahmen kommt auch noch die Debatte um die Kanzlerkandidatur der Union hinzu. Frühestens Ostern wollen Laschet und CSU-Chef Markus Söder dazu eine Entscheidung verkünden. CDU/CSU befinden sich - wohl auch wegen der Maskenaffäre - im Umfrage-Sinkflug.
CDU-Politiker mit Spitze gegen Söder
Der CDU-Europaabgeordnete aus NRW, Dennis Radtke, ist für Laschet als Kanzlerkandidat. Er habe Merkels Aussage bei Anne Will nicht als Frontalangriff auf Laschet verstanden. "Frau Merkel ist erkennbar und zurecht genervt von der fehlenden Kohärenz in der Corona-Politik, zu der natürlich jede Abweichung ihren Beitrag leistet." Der "vermeintliche Musterschüler Söder", so Radtke, plante letzte Woche noch Lockerungen für den Einzelhandel. "Das dürfte wohl kaum in Sinne der Kanzlerin sein."