Als der Fußballprofi Salomon Kalou Anfang Mai wegen Verstößen gegen die Hygiene- und Abstandsregeln suspendiert wurde, forderte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner: "Solches individuelle Fehlverhalten muss so streng geahndet werden, dass es selbst Fußballmillionären richtig weh tut."
Nun steht Lindner selbst in der Kritik: Am Wochenende verabschiedete er sich vor dem Berliner Restaurant "Borchardt" von einem befreundeten Unternehmer - mit einer innigen Umarmung und heruntergelassenem Mundschutz. Bilder davon wurden publik und brachten Lindner in Erklärungsnot. Später bezeichnete auch Lindner die Umarmung als "Fehler". Es sei "kein Vorsatz", sondern "Unkonzentriertheit" gewesen, erklärte er im Gespräch mit dem "Spiegel".
"Nicht wie im Kirchenchor"
Dabei ist der FDP-Chef bei weitem nicht der einzige, dem es offenbar schwer fällt, sich an die Abstandsregeln zu halten. Auch mehrere Spieler von Hertha BSC nahmen es am Wochenende beim Torjubel mit dem Abstand nicht so genau. Und Trainer Bruno Labbadia? Der sagte dazu nur lapidar, man müsse aufpassen, dass man jetzt nicht "wie im Kirchenchor" auftrete.
Zu wenig Abstand in der Kneipe und auf dem Bolzplatz
Politikern und Fußballern gelten oft als Vorbilder. So überrascht es wenig, dass am Wochenende auch manche Hobby-Kicker wieder ein Stück Normalität für sich in Anspruch nehmen wollten. In Oberhausen trafen sich mehrere hundert Jugendliche zu einem illegalen Turnier. Auch beim Blick auf die geöffneten Kneipen und Gaststätten fällt auf: Es ist eng und voll, die Hygiene- und Abstandsregeln werden oft missachtet.
Niedrige Infiziertenzahlen senken die Motivation
Woran liegt es, dass auf "Social Distancing" offenbar weniger Wert gelegt wird als vor ein paar Wochen? Psychologen betonen, welche Rolle die Vermittlung der Politik spielt. "Nur wenn die Menschen das Vertrauen in den Sinn der Entscheidung haben, können sie weiterhin die Motivation und die Disziplin für die kommende Zeit aufbringen", sagte die Psychologin Meltem Avci-Werning. Angesichts der niedrigen Zahlen an Neuinfektionen sinke die Motivation zusehends.
Dazu kommt, dass die Lage auch angesichts der verschiedenen Vorgaben in den Ländern zusehends unübersichtlich wird. Wie viele Leute darf ich jetzt treffen? Muss ich dabei Mundschutz tragen? Wen darf ich überhaupt umarmen? Fragen wie diese stellen sich gerade viele Menschen.
Drosten: Empfehlungen immer anpassen
Die geltenden Empfehlungen müssten immer an den aktuellen Kenntnisstand angepasst werden, betont der Virus-Forscher Christian Drosten. Während man etwa im Innenbereich von Restaurants weiterhin mit einer Abstandsregel arbeiten sollte, wäre der Zwei-Meter-Abstand im Außenbereich "wahrscheinlich gar nicht notwendig",so Drosten. "Denn das Virus, das über Aerosol-Übertragung verbreitet wird, weht eh weg, wenn man draußen ist."
Stadt Köln warnt weiter: "Abstand halten!"
Doch noch gelten die Abstandsregelungen auch im Außenbereich. Darauf wies etwa die Stadt Köln noch einmal hin. Nachdem sich dort die Zahl der Verstöße gegen Corona-Maßnahmen von Mitte April bis Anfang Mai fast halbiert hatte, steigen die Zahlen nun wieder. Abstand wäre aber immer noch der beste Schutz vor einer Infizierung mit dem Coronavirus.