Ballons und unbekannte Flugobjekte: Was fliegt da über uns hinweg?

Stand: 13.02.2023, 09:01 Uhr

Erneut wurde über Nordamerika ein Flugobjekt abgeschossen. Der Abschuss über dem Huron-See sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen . Sind Spionageballons auch über Deutschland denkbar?

Über dem nordamerikanischen Luftraum ist erneut ein Flugobjekt abgeschossen worden, diesem Mal im Grenzgebiet zu Kanada. Das unidentifizierte Objekt sei am Sonntag auf Befehl von Präsident Joe Biden über dem Huronsee im Staat Michigan abgeschossen worden, teilte das Pentagon mit. Es sei nicht als militärische Bedrohung, aber als Gefahr für zivile Flugzeuge eingestuft worden.

Die Häufung dieser Militäraktionen sei zum Teil auf eine "erhöhte Wachsamkeit" nach dem mutmaßlichen Spionageballon aus China zurückzuführen, der Ende Januar über dem US-Luftraum aufgetaucht sei, erklärte General Glen VanHerck, der unter anderem das sogenannte Nordamerikanische Luftverteidigungskommando Norad leitet, am Sonntag den Reportern.

Zuvor wurde ein Objekt im Nordwesten Kanadas gesichtet. Das Objekt habe eine "kleine, zylindrische Form" gehabt, erklärte die kanadische Verteidigungsministerin Anita Arnand.

Der Abschuss am Samstag erfolgte bei einem gemeinsamen Einsatz von kanadischen und US-Kampflugzeugen. Einen Tag zuvor hatte ein US-Kampfjet ein Flugobjekt vor der Nordküste Alaskas abgeschossen. Vor einer Woche hatten die USA einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon vor der Ostküste des Landes zerstört. Der tagelange Überflug des Ballons, der mit einer Größe von drei Reisebussen auch mit bloßem Auge zu sehen war, hatte zu einem diplomatischen Eklat zwischen Peking und Washington geführt.

Spionage- oder Forschungsballons?

Dass der Ballon tatsächlich zu Spionagezwecken in den US-amerikanischen Luftraum eingedrungen ist, ist bislang nicht bewiesen. Dass es sich um einen verirrten zivilen Forschungsballon handelte, wie die chinesische Führung behauptet, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Zwar sind Ballons für wissenschaftliche Zwecke durchaus auch mal mehrere Wochen oder gar Monate unterwegs - aber nie unangemeldet, erklärt Felix Friedl-Vallon, Experte für Fernerkundung der Atmosphäre am Karlsruhe Institut für Technologie.

"Ein ziviler Ballon kriegt einen Radartransponder, wie jedes Fluggerät. Er wird angemeldet und der Start wird natürlich mit der Flugsicherung abgesprochen."

"Das war mit Sicherheit kein ziviler Ballon, denn die werden angemeldet und die werden überwacht." Felix Friedl-Vallon, Experte für Fernerkundung der Atmosphäre am KIT

Gefahr für die zivile Luftfahrt

Das ist aus Sicherheitsgründen auch gar nicht anders möglich. Denn zum einen muss die Flugsicherung Ort und Zeitpunkt des Starts kennen, damit im gleichen Zeitraum keine anderen Flugzeuge dort starten. Zum anderen muss die Flughöhe genau beobachtet werden, denn wenn ein Ballon absinkt auf eine Flughöhe von unter 15 Kilometern stellt er einen Gefahr dar für die zivile Luftfahrt - und muss dann vom Boden aus vernichtet werden.

In der Regel wird die Nutzlast, gewissermaßen eine unbemannte Gondel, vom Ballon abgesprengt und segelt anschließend mit einem Fallschirm zur Erde. Die beiden abgeschossenen Flugobjekte über Kanada und Alaska befanden sich in einer Höhe von ca. 12.000 Metern und waren demnach tatsächlich ein Problem für die Luftsicherheit.

Um was für Ballons handelt es sich?

In der Regel handelt es sich um unbemannte Ballons, die in einer Höhe von 20 Kilometern und mehr unterwegs sind, sogenannte Stratosphäre-Ballons. Sie haben - für die Wissenschaft - den Vorteil, dass sie in der Stratosphäre Daten sammeln können, die man mit Flugzeugen und Satelliten nicht sammeln kann.

Aber auch aus Sicht von Geheimdiensten haben sie Vorteile: Sie sind deutlich näher dran als Satelliten und können schärfere Bilder schießen. Flugzeuge können eine solche Höhe aufgrund des niedrigen Luftdrucks nicht erreichen.

Satelliten haben noch einen anderen Nachteil, meint Friedl-Vallon, ihre Geschwindigkeit: "Ein typischer Satellit, der die Erde in einer polaren Umlaufbahn umkreist, hat eine Geschwindigkeit von sieben Kilometern pro Sekunde." Zu schnell, als dass man mit ihnen Funkverkehr abhören könnte - mit Ballons dagegen ist das theoretisch möglich.

Neue Spionageoffensive?

Auffällig ist die Häufigkeit, mit der zurzeit unbekannte Flugobjekte über Nordamerika entdeckt - und abgeschossen werden. Handelt es sich um eine großangelegte Spionageoffensive, mutmaßlich gestartet von China?

Allerdings gab es offenbar bereits unter Joe Bidens Amtsvorgänger im Weißen Haus Donald Trump Flugobjekte, bei denen es sich mutmaßlich um chinesische Spionageballons gehandelt haben soll. Zudem ist die Idee, Ballons zu nutzen um andere Staaten auszuspähen nicht neu.

Bereits im Kalten Krieg gab es einen massiven Einsatz solcher Flugobjekte, auch von Seiten der USA. Und schon damals wurde immer wieder behauptet, es handle sich lediglich um verirrte zivile Forschungsballons.

Spionageballons auch über Deutschland?

Ob es auch im deutschen oder europäischen Luftraum Spionagesatelliten geben könnte, kann Experte Friedl-Vallon nicht sagen. Ausschließen will er es aber nicht, auch wegen der Flughöhe von 20 Kilometern und mehr: "Ich habe keine Kenntnis darüber, wie gut die deutsche Luftüberwachung oberhalb von 20 Kilometern ist."

Zwar seien die Ballons so groß, dass man sie mit einem Fernrohr erkennen könnte, aber: "Man muss halt erst mal dessen gewahr werden, dass da was Ungewöhnliches ist."

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