37 Schrotkugeln im Körper - Iraner schafft Flucht nach NRW

Stand: 02.01.2023, 21:40 Uhr

Im Iran gehen die Milizen brutal gegen Demonstrierende vor. Einer der vielen Verletzten ist der 38-jährige Said. Mit geschätzt 37 Kugeln im Körper hat er es nach NRW geschafft - unter qualvollen Schmerzen.

Erkannt werden will er nicht. Der 38-jährige Iraner, der durch Neuss spaziert, hat Angst um seine Frau und die beiden Kinder. Said war in den vergangenen Monaten immer wieder bei Protesten in Teheran dabei. Anfang Oktober war er mit seinen Freunden unterwegs, als sie von mit Schrotgewehren bewaffneten Milizen verfolgt und beschossen wurden. "Ich hatte solche Schmerzen, ich dachte, ich habe keine Beine mehr", erzählt Said dem WDR.

Die Freunde krochen die Treppen herunter, einige wurden festgenommen. Andere, so auch Said, entkamen ihren Angreifern. Said war von hinten getroffen. Im ganzen Körper hatte er dutzende Schrotkugeln. Er blutete. Aber ins Krankenhaus konnte er nicht gehen. Die Gefahr, verhaftet zu werden, sei zu groß gewesen.

Vermeintliche Ärzte entpuppen sich als Apotheker und Student

Said erfuhr, dass angeblich junge Mediziner in der Stadt Ghazvin, etwa 150 Kilometer von Teheran entfernt, ein Haus gemietet haben und die Verletzten behandeln. Said fuhr mit seiner Frau dorthin. Doch die vermeintlichen Ärzte entpuppten sich als Apotheker und Medizinstudent – viel zu unerfahren für eine aufwändige OP. Nur vier bis fünf Kugeln konnten sie aus dem Rücken von Said herausoperieren.

Said litt weiter qualvolle Schmerzehn. Mit den restlichen Kugeln im Körper fuhr er schließlich zwei Monate später mit einem Schleuser zunächst in die Türkei. Dann flog er mit falschen Papieren nach Düsseldorf. Noch am Flughafen beantragte er Asyl. Jetzt lebt der Iraner in einer Geflüchtetenunterkunft in Bielefeld.

Kugeln haben Vernarbungen verursacht

Der Mediziner Pouria Sabetian

Von Saids Schicksal erfuhr der in Neuss lebende iranischstämmige Chirurg Pouria Sabetian. Er bat Said in seine Praxis – und zählte grob 37 Kugeln in dessen Körper. Aber längst nicht alle will Sabetian via OP entfernen. "An manchen Stellen lassen wir die Kugeln drin", so der Gefäßchirurg gegenüber dem WDR. Wie ein Fremdkörper, wie eine Prothese im Körper.

Andere Kugeln will er operativ entfernen. Doch der erste Eingriff gestaltete sich alles andere als einfach. Weil die Kugeln seit über zwei Monaten im Körper sind, haben sie massive Vernarbungen verursacht. Nach zwei Stunden musste der Mediziner die erste OP abbrechen, da er nur zwei Kugeln herausholen konnte.

Sorge um die Familie

Jetzt muss sich Said weiteren Eingriffen unterziehen – eine belastende Situation. Aber: "Ich bereue es nicht", sagt Said. Andere hätten ihre Kinder verloren, bei ihm seien es ja "nur Schrotkugeln", die ihm Pein bereiteten.

Sein Hauptproblem sei seine Familie. Er wünsche sich, bald seine Angehörigen treffen zu können, damit er sich keine Sorgen mehr mache. "Ich schlafe mit Sorgen über sie ein und wache damit auf."

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