Er trägt eine Sturmhaube, in einer Hand hält er eine Spraydose und an seinen Klamotten und seinen Händen klebt frische Farbe. So beschreibt die Polizei die Situation am frühen Morgen des 27. Dezember. Da hatten Beamte einen 29-Jährigen quasi auf frischer Tat ertappt. Nun, nach umfangreichen Ermittlungen, werden dem Mann mehr als 60 illegale Graffiti zur Last gelegt.
Als der Mann die Polizei bemerkte, habe er wegrennen wollen. Die Beamten konnten ihn aber stellen und festnehmen. Sie fanden unter anderem auch Graffitivorlagen und Drogen bei ihm. Nur ein paar Meter weiter entdeckte die Polizei ein Graffiti in genau der Farbe, die auch an den Händen und der Kleidung des Verdächtigen klebte.
Immer der gleiche Schriftzug an über 60 Stellen
Die Anwohner ärgern sich über Schmierereien wie diese.
Daraufhin durchsuchte die Polizei auch die Wohnung des 29-Jährigen und fand auch hier Drogen und Graffitivorlagen. Einen Tag später fuhr eine Polizeistreife durch Essen-Kupferdreh und den benachbarten Stadtteil Heisingen und entdeckte überall genau den Schriftzug, den der Verdächtige am Tag vorher gesprüht haben soll.
Der Schriftzug prangte auf zahlreichen Mülleimern, Stromkästen, Pfeilern, Brücken und Mauern. Geschätzter Schaden: 50.000 Euro. Auch Menschen aus den betroffenen Stadtteilen halfen der Polizei bei den Ermittlungen: Sie schickten Fotos, wenn sie den Schriftzug entdeckten. So konnten dem Sprayer jetzt insgesamt über 60 Graffiti zugeordnet werden.
Bürgerschaft Kupferdreh hilft Polizei bei Ermittlungen
Einer der Helfer: Johann Rainer Busch. Jeden Tag läuft er durch "sein" Kupferdreh. In seinem Alter "braucht man Bewegung", sagt er uns bei einem Treffen. Immer mit dabei: seine Kamera. Damit hat er schon hunderte Graffiti in Essen-Kupferdreh dokumentiert. Seit Jahren fotografiert er sie und leitete die Fotos an die Polizei weiter. Nach Weihnachten konnten er und die Bürgerschaft der Polizei so helfen, weitere Graffiti dem Verdächtigen zuzuordnen.
Legale und illegale Graffiti am Bahnhof Kupferdreh
Graffiti können auch richtig kunstvoll sein.
Schon seit Jahren kämpft die Bürgerschaft gegen illegale Sprayer in ihrem Stadtteil. Durch Kupferdreh führen die Linie der S-Bahn S9 und die Autobahn A44 - beide auf Säulen über den Köpfen der Menschen. Die Säulen bieten dadurch viel Platz für Graffiti. Auch auf den Fahrkartenautomaten des VRR und den Wänden des Bahnhofs werde immer wieder rumgeschmiert - da packen Bürgerschaft und IG Kupferdreh Bahnhof zusammen mit an. Die Bahn hat ihnen erlaubt kleineren Reinigungsaktionen durchzuführen.
Der Bahnhof wurde mit aufwändigen Wandgemälden der IG Bahnhof verziert.
Ein weiteres Gegenmittel: die Säulen am Bahnhof und der Aufgang zum Bahnsteig sind von einem Graffiti-Künstler aufwendig mit großen Bildern gestaltet worden. Da gibt es eine Dampflok, Fahrradfahrer sind zu sehen oder künstlerische Blumen. Beauftragt wurde er dafür von der IG Kupferdreh Bahnhof und Bürgerschaft Kupferdreh. Der Vorteil: Der engagierte Graffiti-Künstler hat laut Bürgerschaft ein "Gentleman-Agreement" mit anderen Sprayern getroffen, demnach dürfen seine Kunstwerke nicht übersprüht werden. Zumindest die Säulen des Bahnhofs sind deswegen bisher nicht wieder beschmiert worden.
In einer früheren Version des Textes fehlte die Information, dass auch die IG Kupferdreh Bahnhof an Verschönerungs- und Reinigungsprojekten beteiligt ist bzw. diese in Auftrag gibt.