Anja Sabrowski wusste, dass der Tag nicht gut werden würde. Trotzdem steht sie am Montagnachmittag mit Tränen in den Augen und um Fassung ringend vor der Galeria-Filiale in der Gelsenkirchener Innenstadt. Ihre Filiale, die schon Ende Juni schließen soll.
Viele Tränen in Gelsenkirchen
Anja Sabrowski, Betriebsrätin und Galeria-Mitarbeiterin in Gelsenkirchen
"Egal, wie man sich darauf vorbereitet. Wenn man es dann schwarz auf weiß hat und es dann konkret wird, dann ist man einfach in tiefer Trauer", sagt die Betriebsrätin. Anja Sabrowski ist schon seit 30 Jahren bei der Warenhauskette beschäftigt.
Am Montagmittag war sie in der Telefonkonferenz dabei, in der die Konzernleitung die Schließung von über 50 Filialen, davon 15 in NRW, bekannt gegeben hatte. Schon am 30. Juni sollen in Gelsenkirchen die Lichter ausgehen.
In Bielefeld "nicht damit gerechnet"
"Wir sind am Boden zerstört", sagt auch der Bielefelder Betriebsrat Thorsten Isringhausen. Mit der Entscheidung, das Galeria-Geschäft in Bielefeld Ende Januar des nächsten Jahres zu schließen, habe man so nicht gerechnet. "Die Angst wie es weitergeht, ist da. Jetzt müssen wir erst mal den Kolleginnen und Kollegen beistehen."
Dagegen zeigte sich Jörg Funder, Handelsexperte an der Fachhochschule Worms, von den Schließungen weder in Bielefeld noch an den anderen betroffenen Standorten überrascht. "Deutschland ist eben kein Warenhaus-Land mehr", so der Wissenschaftler. Er glaubt, dass für eine wirkliche Sanierung des Konzerns sogar noch mehr Schließungen nötig gewesen wären.
"Harter Schlag" für Mönchengladbach
Betroffenheit ist derweil überall in den von den Schließungen betroffenen Kommunen zu spüren. Auch Mönchengladbach gehört zu den Städten, in denen Ende Januar 2024 eine Filiale geschlossen werden soll. Mönchengladbachs Oberbürgermeister Felix Heinrichs spricht von einem "harten Schlag".
Vor drei Jahren musste bereits eine Filiale im Stadtteil Rheydt schließen, jetzt soll auch der Standort in der Innenstadt dicht machen. Gemeinsam mit dem Verwalter der Immobilie arbeite die Stadt jedoch bereits an einer neuen Nutzung des Gebäudes, so Heinrichs: „Für unsere Innenstadt ist das Aus für den Kaufhof ein harter Schlag, aber noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen jetzt erst recht Mentalität beweisen.“
Essen kämpft um "Traditionsstandort"
Der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen
Ähnlich kämpferisch zeigte sich auch der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen: "Essen ist der Traditionsstandort für Karstadt", sagt Kufen und verweist damit nicht nur auf die große Filiale mitten in der City im Einkaufszentrum Limbecker Platz, die ebenfalls Anfang nächsten Jahres schließen muss. Er spricht auch die Essener Konzernzentrale an, in der einige hundert Stellen gestrichen werden sollen.
Kufen kündigte darüber hinaus an, parallel um die Zukunft der Essener Filiale zu kämpfen.
Angst vor Kundenfragen
Ganz so weit mag Anja Sabrowski noch nicht in die Zukunft schauen: "Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl morgen zur Arbeit zu gehen, ich habe auch Angst vor den Kundengesprächen." Sicherlich würden es die Kunden oft gut meinen, wenn sie fragen, wie es denn mit ihr und ihren Kollegen weitergeht.
"Aber man wird dann immer wieder aus dem Nichts raus damit konfrontiert", so Sabrowski, "dann ist es schon sehr schwer, wenn man dem immer wieder Rede und Antwort stehen und das alles aushalten muss."
Über dieses Thema berichten wir am 13. März 2023 unter anderem in den WDR-aktuell-Hörfunk- und Fernsehnachrichten.