Vor dem Landgericht Essen hat am Freitag ein Prozess wegen mehrfachen Mordversuchs begonnen. Ein 25-jähriger Duisburger soll im November 2022 vor einer Disco in der Essener Innenstadt auf mehrere Männer eingestochen haben.
Tat von Überwachungskamera gefilmt
Es sind verstörende Bilder, die zum Prozessauftakt im Gerichtssaal gezeigt werden. Im Eingang der Essener Diskothek "Essence" zieht ein Gast plötzlich ein Messer und sticht wie rasend um sich, mit voller Wucht, trifft vier Männer in den Bauch, die Brust. Doch die wirken zunächst kaum beeindruckt - trotz teils schwerster Verletzungen, die der Notarzt später feststellt.
Es beginnt eine wüste Schlägerei. Dabei wird ein Mann zu Boden geschlagen und mit Baseballschlägern fürchterlich zugerichtet. Zwei Baseballschläger zerbrechen dabei. Blutüberströmt steht der Mann wieder auf und läuft davon. Er ist der Schwager des Angeklagten, erläutert der Richter später im Prozess.
Messerstiche aus Verzweiflung?
Angeklagt vor dem Essener Schwurgericht ist nur der Messerstecher - wegen versuchten Mordes. Der Verteidiger weist diesen Vorwurf zurück. Sein Mandant habe aus Verzweiflung gehandelt, sagt er in einer ausführlichen Erklärung.
Der 25-Jährige und einige Freunde seien nach einer Hochzeitsfeier in die Diskothek gegangen. Dort seien sie plötzlich von den Türstehern angegriffen und misshandelt worden. Die Diskothek sei bekannt für die Gewalttätigkeit ihrer Türsteher. Um das zu untermauern, liest er entsprechende Gästebewertungen aus dem Internet vor.
Razzien in Diskotheken
Besucht wird das "Essence" vor allem von arabischstämmigen Gästen. 2019 gab es hier eine der größten Razzien gegen Clan-Kriminalität im Ruhrgebiet. Mindestens 250 Polizeibeamte durchsuchten die Räume, pressewirksam angeführt von NRW-Innenminister Herbert Reul.
Auch aktuell besteht der Verdacht, dass es enge Verbindungen zwischen Familienclans und der Türsteher-Szene gibt. Im Mai durchsuchte die Polizei deshalb Party-Locations in Köln, Düsseldorf und mehreren Ruhrgebietsstädten.
Komplizierte Beweisaufnahme
Um die Hintergründe des Gewaltausbruchs in Essen im November 2022 zu klären, hat das Gericht viele Zeugen geladen. Bis Ende Oktober sind neun Verhandlungstage angesetzt. Anklagen gegen weitere Beteiligte gibt es bisher nicht, sagte die Staatsanwältin auf Anfrage des WDR. Es werde aber weiterhin wegen sämtlicher auf den Videos dokumentierter Straftaten ermittelt.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Polizei Essen
- Staatsanwaltschaft Essen