Der Einsatz des großen Reizstoffsprühgeräts, kurz RSG8 - oder umgangssprachlich auch Pfefferspray - durch die Polizistin sei laut Anklageschrift in einer "statischen Lage" erfolgt. Zuvor habe Dramé mit einem Messer an der Wand einer Kirche im Hinterhof einer Jugendeinrichtung gelehnt. Auf Ansprachen soll er nicht reagiert haben.
Nach Aussage der angeklagten Polizistin habe ihr Dienstgruppenleiter den Einsatz des Pfeffersprays befohlen. Durch die Wirkung des Reizstoffs sollte Mouhamed Dramé dadurch das Messer fallen lassen und sich die Augen reiben. Die Angeklagte sei an den Zaun herangetreten, der sie von dem Innenhof trennte und habe das Pfefferspray eingesetzt.
Angeklagte hat Messer während des Einsatzes nicht gesehen
"Ich hab solange gepfeffert, bis eine Reaktion gab", sagte sie am 14. Verhandlungstag aus. Es trat aber nicht die erhoffte Reaktion ein. Mouhamed Dramé soll sich nach kurzer Zeit aufgerichtet und sich "nicht ganz langsam" in Richtung der anderen Polizisten bewegt haben. Ob und wie er dabei das Messer gehalten hat, konnte die Angeklagte nicht beantworten. Das Messer habe sie während des ganzen Einsatzes überhaupt nicht gesehen. Dann fielen die Schüsse aus den Tasern und aus der Maschinenpistole.
Der Vorsitzende Richter Kelm wollte von der Angeklagten wissen, ob ihr bewusst war, dass es für Dramé nur einen Ausweg aus der Nische, in der er sich befunden hatte, gab - nämlich in Richtung der anderen Polizisten. "Nein", war die klare Antwort.
"Frage mich täglich, ob ich anders hätte reagieren können"
Auch auf die Nachfragen der Nebenklage gab die Polizistin klare Antworten. Ob sie wisse, dass Pfefferspray nicht immer bei allen Menschen Wirkung zeige? Davon habe sie zwar gehört, aber selbst noch nicht erlebt. Ob man anders als mit Pfefferspray hätte reagieren können? "Ich frage mich täglich, ob ich anders hätte reagieren können. Das fragen wir uns alle", gibt die Angeklagte zu.
Pfefferspray sei "zweckmäßig"
Ob sie mal überlegt habe, sich dem Befehl zum "einpfeffern" zu widersetzen oder das in dem Moment hinterfragt hätte? Die Frage schien die Angeklagte schwer zu treffen. Ihre Stimme brach. Es flossen Tränen. Ihr Verteidiger regte eine kurze Verhandlungspause an, doch seine Mandantin wollte sich weiter der Befragung stellen.
Sie habe den Einsatz des Pfeffersprays als "zweckmäßig" empfunden. Einen Anlass diesen Befehl zu verweigern, habe sie nicht gesehen. Bedenken habe sie nicht gehabt, der Dienstgruppenleiter hätte oft Einsätze geleitet und es sei nie etwas schief gegangen. Bis zu diesem Tag im August 2022. Dass dieser Einsatz tödlich ausging, "das war nicht die Absicht von uns", so die junge Polizistin.
Über dieses Thema berichten wir am 5.6.2024 im WDR Fernsehen und Radio.
Unsere Quellen:
- Reporter im Gerichtssaal
- Aussagen der angeklagten Polizistin
- Verlesung der Anklageschrift zu Beginn des Prozess