Streit um Polizei-Dozentin nach Tweet zu "braunem Dreck" bei Polizei

Stand: 23.05.2023, 19:47 Uhr

Eine Hochschuldozentin hat ihren Lehrauftrag verloren, nachdem sie sich pauschal zu Rassismus innerhalb der Polizei geäußert hat. Der Fall sorgt für Streit in der NRW-Koalition.

Von Christian Wolf und Jolien Wagner

Dass ein einzelner Tweet manchmal den Job kosten und zu Streit innerhalb von Regierungskoalitionen führen kann, zeigt ganz aktuell der Fall der Hochschuldozentin Bahar Aslan. Nachdem sie sich über Rassismus bei der Polizei beklagt hatte, entschied die Polizei-Hochschule in Gelsenkirchen, Aslans ausgelaufenen Lehrauftrag nicht zu erneuern. Das sorgt nun für Diskussionsstoff - und könnte zu Streit innerhalb der schwarz-grünen Koalition in NRW führen.

Am Wochenende hatte die Dozentin und Lehrerin via Twitter geschrieben: "Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land."

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Kein weiterer Lehrauftrag für Aslan

ie Buchstaben «NRW» stehen in den Landesfarben von Nordrhein-Westfalen vor der Zentralverwaltung der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen auf dem Rasen

Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Gelsenkirchen

Bei der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen kam das nicht gut an. Sie teilte am Montag mit: "Aus Sicht der Hochschulleitung ist die Dozentin aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln."

Die Folge: Die Hochschule will nicht mehr mit Aslan zusammenarbeiten. Der bislang bestehende Lehrauftrag für "interkulturelle Kompetenzen" war bereits ausgelaufen. Doch eine weitere Beauftragung zum kommenden Semester war eigentlich geplant. Das wurde nun von der Hochschulleitung aber gestoppt.

Die Betroffene selbst behauptet, darüber nicht informiert worden zu sein. "Das ist aber interessant, dass ich über Journalist*innen erfahren habe, dass man mich meines Lehrauftrages [...] entbunden hat", schrieb sie auf Twitter. Zudem sagte Aslan, die auch an einer Schule in Gelsenkirchen unterrichtet, dass sie bereits diverse andere Jobangebote von Universitäten und Fachhochschulen bekommen habe. Inzwischen haben sich Aslan und die Hochschule in Gelsenkirchen auf ein Gespräch geeinigt, wie die Hochschule dem WDR am Dienstag mitteilte.

CDU und Grüne uneins bei Bewertung

Hinzu kommt: Die Polizeihochschule gehört zum Verantwortungsbereich von CDU-Innenminister Herbert Reul und Aslan ist Mitglied bei den Grünen. Im WDR Interview bestätigte sie ihre Mitgliedschaft.

Somit hat der Fall längst auch eine politische Bedeutung bekommen. Denn während sich die eine Seite über Aslans Tweet empört, kritisieren andere die Konsequenzen der Hochschule. CDU und Grüne, die beide eine Koalition in NRW bilden, finden sich in unterschiedlichen Lagern wieder.

Tim Achtermeyer

Grünen-Landeschef Tim Achtermeyer

Die Grünen stellen sich dementsprechend hinter Aslan. So sagte Landeschef Tim Achtermeyer am Dienstag: "Ich erwarte mir von einem Arbeitgeber Solidarität, differenziertes Agieren und Gespräche, gerade im Umfeld der Polizei und innerhalb einer Hochschule. Stattdessen ist man vor einem Shit-Storm eingeknickt." Die Entziehung des Lehrauftrags sei "die völlig falsche Konsequenz". Seine Forderung: "Die Hochschule wäre gut beraten, diesen Schritt zu zurückzunehmen und das Gespräch zu suchen."

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Julia Höller, räumt zwar ein, dass Aslans Tweet "unglücklich formuliert" gewesen sei und Polizeikräfte sich pauschal angegriffen fühlen könnten. Aslan sei aber "die Richtige" für einen Lehrauftrag an der Polizei-Hochschule. "Ich bin irritiert darüber, dass so kurzfristig der Lehrauftrag nicht verlängert wurde."

Innenministerium stellt sich hinter Hochschule

Das Innenministerium sieht das komplett anders. Auf WDR-Anfrage hieß es am Dienstag, dass an der Hochschule "vorurteilsfreie und fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität" vermittelt werden sollten. "Aus Sicht der Hochschulleitung ist Frau Aslan nach ihren aktuellen Äußerungen hierfür nicht mehr geeignet. Die Entbindung von ihrem Lehrauftrag ist daher die zwingende Konsequenz."

Porträtaufnahme GdP-NRW-Chef Michael Mertens

GdP-NRW-Chef Michael Mertens

CDU-Innenpolitiker Christos Katzidis sagte im WDR-Gespräch: "Ich halte die Entscheidung für richtig." Bei dem Tweet handele es sich um eine "Verunglimpfung" von Polizeikräften. Zudem stehe die Frage im Raum, "ob das wirklich jemand ist, der auch an einer Schule unterichten soll. Da ist ja die Frage, was gibt so eine Lehrerin Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg". Die Gewerkschaft der Polizei fordert sogar eine arbeits- und strafrechtliche Prüfung. Der NRW-Landesvorsitzende Michael Mertens sagt, eine solche "Pauschalverurteilung der Sicherheitsbehörden geht gar nicht".

Dozentin findet ihren Ausschluss "Skandalös"

Aslan selbst räumte im WDR-Interview ein: "Die Wortwahl war sehr drastisch." Sie unterstütze die Polizei und habe nicht alle Polizisten und Polizistinnen als braunen Dreck bezeichnet, sondern über rechte Gesinnung innerhalb der Polizei gesprochen. Sie stehe auf dem "Boden des freiheitichen demokratischen Grundgesetzes". Gleichwohl betonte sie in einem Zeit online Interview: "Dass sie mich rauswerfen, ist gesellschaftlich ein bedenkliches Signal." Es handele sich um eine Verleumdungskampagne gegen sie.

Bezirksregierung prüft Äußerungen

Die Äußerungen könnten weitere Konsequenzen nach sich ziehen. Aslan ist auch Lehrerin an einer Hauptschule. Die verantwortliche Bezirksregierung Münster prüft jetzt, ob Aslan mit ihren Tweets womöglich gegen ihre Pflichten als Beamtin verstoßen hat

Über dieses Thema berichten wir am 23.05.2023 im Hörfunk bei WDR 2 und im Fernsehen in der Lokalzeit Ruhr.