Nach Missbrauchsvorwürfen: Bistum Essen berät über Hengsbach-Denkmal
Stand: 22.09.2023, 10:27 Uhr
Im Jahr 2011 wurde eine überlebensgroße Statue des Gründungsbischofs des Ruhrbistums, Franz Hengsbach, feierlich und mit viel Prominenz eingeweiht. Nach den Missbrauchsvorwürfen berät das Domkapitel über die Zukunft des Denkmals.
Von Olaf Biernat
Bei der Enthüllung der Kardinal-Hengsbach-Statue im Jahr 2011 waren viele dabei, die im Ruhrgebiet Rang und Namen haben. Von Berthold Beitz, dem Generalbevollmächtigten der Krupp-Familie, dem damaligen Evonik-Chef Klaus Engel bis hin zu Bischof Franz-Josef Overbeck. Dass 12 Jahre später einmal darüber disktutiert wird, das Denkmal wieder zu entfernen, hätte damals wohl keiner gedacht.
Sondersitzung des Domkapitels
Der Essener Dom
Aber genau das passiert heute am frühen Nachmittag hinter den Mauern des Bistums Essen. Dann kommt das Domkapitel zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagespunkt: was passiert mit der Hengsbach-Statue? Doch so einfach scheint die Entscheidung nicht zu sein.
Unterschiedliche Positionen
Generalvikar Klaus Pfeffer sagte dem WDR im Vorfeld der Sitzung: "Es gibt durchaus unterschiedliche Sichtweisen auch innerhalb des Bistums, auch die Künstlerin hat sich schon zu Wort gemeldet. Das werden wir heute in der Sitzung abwägen und auch eine Entscheidung treffen".
Offenbar hat die Künstlerin und Bildhauerin Silke Rehberg, die die Statue erschaffen hat, Bedenken. Sie denke eher an eine Umgestaltung des Denkmals, als an ein bloßes Entfernen. Bei der Sitzung sind auch rechtliche Fragen zu klären, denn die Künstlerin müsste am Ende zustimmen und hat eine gewichtige Stimme bei der Entscheidung.
Betroffene fordern Entfernung des Denkmals
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte bereits angekündigt, dass der Kardinal-Hengsbach-Platz in der Innenstadt nach den Missbrauchsvorwürfen umbenannt werden soll. Betroffenenvertreter und die Reforminitiative Maria 2.0 hatten auch die Entfernung der überlebensgroßen Statue des Geistlichen gefordert.
Die Bistümer Essen und Paderborn hatten am Dienstag gravierende Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach öffentlich gemacht. Es geht um mindestens zwei Fälle von sexualisierter Gewalt aus den 1950er und 1960er Jahren.
Transparenz wirft Fragen auf
Das Ruhrbistum ist an die Öffentlichkeit gegangen, um mögliche weitere Opfer zu ermutigen, sich zu melden und spricht von "Transparenz". Doch diese Transparenz wirft zumindest Fragen auf.
Große Würdigung für Hengsbach bei Denkmal-Einweihung
Denn Recherchen haben ergeben, dass der aktuelle Bischof Franz-Josef Overbeck von den Vorwürfen wusste, als er im Oktober 2011 das Denkmal am Essener Dom einweihte. In einer Rede erinnerte Overbeck damals an den ersten Bischof des Ruhrbistums und würdigte ihn. Doch nur zwei Monate zuvor hatte Overbeck Kenntnis von zwei Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Paderborn, der ehemaligen Wirkungsstätte Hengsbachs, bekommen.
Erklärung von Bistumssprecher
Warum weiht man ein Denkmal für einen möglichen Missbrauchstäter ein? Bistumssprecher Ulrich Lota erklärt gegenüber dem WDR: "Als Bischof Overbeck Kenntnis von den Vorwürfen bekommen hatte, handelte es sich um ein laufendes Verfahren". Es habe also überhaupt nichts festgestanden. Auf Nachfrage räumt Lota aber ein: "Aus heutiger Sicht hätte man das sicherlich anders gemacht, die Sensibilität ist erst im Laufe der Jahre gewachsen".
Zeitpunkt für Telefonat mit Rom unklar
Der Bischof sei noch im Jahr 2011 von der Glaubenskongregation in Rom telefonisch darüber informiert worden, dass die Missbrauchsvorwürfe aus dem Erzbistum Paderborn als nicht plausibel eingestuft worden seien. Wann dieses Telefonat stattgefunden habe, daran könne sich Bischof Overbeck aber nicht mehr erinnern. Die schriftliche Bestätigung aus Rom sei dann im Dezember erfolgt.
Das Erzbistum Paderborn räumte jetzt aufgrund des neuen Vorwurfs allerdings ein, die Einschätzung von 2011 noch einmal neu bewerten zu wollen. Im Oktober 2022 hatte sich eine Frau an das Bistum Essen gewandt und von sexuellen Übergriffen durch Franz Hengsbach berichtet.