Missbrauchsvorwürfe gegen Essener Kardinal Hengsbach

Aktuelle Stunde 19.09.2023 29:53 Min. UT Verfügbar bis 19.09.2025 WDR Von Carmen Krafft-Dahlhoff

Bistum Essen: Missbrauchsvorwürfe gegen Gründerbischof Hengsbach

Stand: 19.09.2023, 13:44 Uhr

Gegen den Gründerbischof des Bistums Essen Franz Hengsbach sind "gravierende Missbrauchsvorwürfe" bekannt geworden. Es geht um zwei Fälle aus den 1950er- und 1960er-Jahren.

Die katholische Kirche muss sich mit einem weiteren Missbrauchsskandal auseinandersetzen. Diesmal betrifft es das Bistum Essen, und es geht um einen sehr hochrangingen Vertreter der Kirche: den 1991 verstorbenen Gründerbischof des Essener Bistums, Franz Hengsbach.

Bistum: Vorfälle "gravierend"

Wie das Ruhrbistum heute selbst bekannt gibt, geht es um Vorfälle aus seiner Zeit als Bischof in Essen sowie einen weiteren Fall, als er im Erzbistum Paderborn Leiter des Seelsorgeamts war. Zu den Fällen liegen keine konkreten Informationen vor. Das Bistum Essen bezeichnet sie aber als "gravierend“.

Ins Rollen gebracht wurde alles durch den Vorwurf einer Frau, der im vergangenen Jahr beim Bistum Essen eingegangen war. Der habe Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck dazu veranlasst, konkrete Ermittlungen einzuleiten, schildert er in einer schriftlichen Erklärung.

Sexueller Übergriff 1967

"Im Oktober 2022 hat sich eine Person, die anonym bleiben möchte, bei den beauftragten Ansprechpersonen gemeldet und zu Protokoll gegeben, dass sie einen sexuellen Übergriff durch Kardinal Hengsbach im Jahr 1967 erlitten hat", so Overbeck.

Der Bischof selbst habe nach seiner Darstellung erst in diesem Frühjahr davon erfahren. Grund sei gewesen, dass zunächst nur sehr vorsichtige Gespräche mit einer unabhängigen Ansprechperson geführt worden seien, die die Informationen erst im März weitergegeben habe. Darauf seien aber sofort konkrete Nachforschungen sowohl im Bistum Essen als auch in Paderborn veranlasst worden.

Auch Vorfall in Paderborn

Die Ergebnisse führen sowohl das Bistum Essen als auch das Erzbistum Paderborn heute in eigenen Erklärungen auf. Demnach habe es in Paderborn im Jahr 2011 einen ersten Missbrauchsvorwurf gegeben. Danach sollen die Priesterbrüder Franz und Paul Hengsbach 1954 eine minderjährige Jugendliche sexuell missbraucht haben.

Straßenschild "Kardinal-Hengsbach-Platz" vor dem Essener Dom

Der Essener Dom

Der Vorfall wurde allerdings sowohl von der Paderborner Bistumsleitung als auch im gleichen Jahr von der zuständigen Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan untersucht und als "nicht plausibel" bewertet.

2011 Vorwürfe aus Essen

Ebenfalls 2011 ging ein weiterer Vorwurf gegen Hengsbach ein, allerdings von einem Mann und nur vermittelt über eine Behörde, bei der er Opferhilfe beantragte.

Der Mann soll nach Angaben des Bistums allerdings nicht zum Kontakt mit der Kirche bereit gewesen sein. Er habe seine Vorwürfe 2014 zurückgezogen. Daraufhin sei ein damals eingeleitetes Verfahren wieder eingestellt worden.

Bistum Essen sucht weitere Betroffene

Alle Vorwürfe – ob nun zurückgezogen, als "nicht plausibel" eingestuft oder noch einigermaßen neu im Raum stehend – veranlassen das Bistum Essen nun, offensiv und offensichtlich auch schonungslos mit der Vergangenheit von Franz Hengsbach umzugehen.

"Mir ist dabei sehr bewusst, was diese Entscheidung, die ich nach gründlicher Abwägung der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Erkenntnisse getroffen habe, bei vielen Menschen auslösen wird, die Kardinal Hengsbach als geschätzten Gründerbischof unseres Ruhrbistums in Erinnerung haben", so Franz-Josef Overbeck.

Angesichts der vorliegenden Beschuldigungen sei es ihm aber wichtig, mögliche weitere Betroffene zu ermutigen, sich zu melden: "Sollten Sie selbst sexualisierte Gewalt durch Kardinal Hengsbach erlitten haben, dann wenden Sie sich bitte an die beauftragten Ansprechpersonen im Bistum Essen."

Gallionsfigur der katholischen Kirche

Bischof-Hengsbach-Denkmal in Essen

Bischof-Hengsbach-Denkmal in Essen

1958 wurde der vormalige Paderborner Weihbischof Bischof des neugegründeten Bistums Essen und blieb dies bis 1991. Der gebürtige Sauerländer war zudem Gründer des Lateinamerika-Hilfswerks "Aktion Adveniat" und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Wohl wegen seiner Bemühung um eine Verständigung zwischen deutschen und polnischen Bischöfen wurde Hengsbach 1988 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt.

In Essen wurde auch ein Platz nach ihm benannt. Seine Statue am Essener Dom und sein Grab in der Adveniat-Krypta im Dom stehen nun zur Diskussion. Andere Bistümer haben bei ihren Bischöfen, denen Vertuschung vorgeworfen wird, bereits erklärende Tafeln angebracht.

Über dieses Thema berichten wir am 19.09.2023 im WDR Fernsehen und im Radio bei WDR Aktuell.

Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Hengsbach

WDR Studios NRW 19.09.2023 00:43 Min. Verfügbar bis 26.09.2025 WDR Online